Herbstfraß
passender Helm für Ihren Soldaten hängt.“
Patrick stellt seine leere Bierflasche auf den Couchtisch.
„Bo war ein umsichtiger Stratege und ein hervorragender Schütze. Manchmal fand ich ihn jedoch zu impulsiv und draufgängerisch.“
Das wiederum kommt mir bekannt vor. Bo kann ziemlich schnell hochkochen, wenn ihm eine Laus über die Leber läuft. So wie bei dieser Sache mit Glatzen-Torben.
„Wie geht es ihm heute?“, fragt Patrick. Ich brauche eine Sekunde, bis ich begreife, dass er nicht Torben meint.
„Bis auf gelegentliche Albträume geht es ihm prima. Aber ich habe den Eindruck, dass er öfter an die Einheit denken muss, als gut für ihn ist. Deswegen wollte ich wissen, was damals geschehen ist.“
Wir unterhalten uns noch eine Weile über Bo, denn Patrick ist neugierig, was sein ehemaliger Kamerad heute so treibt. Der Händedruck, mit dem er mich schließlich verabschiedet, ist deutlicher freundlicher als bei meiner Ankunft.
16:53 Uhr
„Wo warst du?“
Mit blitzenden Augen steht Bo vor mir und ist auf Hundertachtzig. Mindestens.
„Unterwegs“, sage ich vorsichtig, da ich keine Ahnung habe, was ihn derartig auf die Palme gebracht hat. Bo hält mir das Telefon vor die Nase. Ich erinnere mich, dass ich es auf dem Sofa habe liegen lassen. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Ohne mich aus dem Blick zu lassen, drückt Bo auf die Wahlwiederholung. Zunächst tutet es und mir werden dabei die Knie weich.
„Reinhold“, meldet sich gleich darauf eine bekannte Stimme. Sofort unterbricht Bo die Verbindung. Ich beiße mir auf die Lippe. Verdammter Mist! Vorwurfsvoll starrt mich Bo an, ehe er kommentarlos abdreht und mich zusammen mit meinem schlechten Gewissen im Flur stehen lässt.
Super, Robin. Du absolute Intrigennull hast es voll vergeigt, sage ich mir, verpasse mir in Gedanken einen heftigen Klaps auf den Hinterkopf und laufe Bo hinterher. Er hat sich auf das Sofa gesetzt und das Telefon wie ein Mahnmal auf den Tisch gelegt.
„Darf ich dazu etwas sagen?“, frage ich kleinlaut.
„Du mieser, hinterhältiger …“
„Bo, bitte.“ Würde ein Kniefall bei ihm Eindruck schinden, ich wäre ohne zu zögern zu Boden gegangen. In Bos Gesicht zuckt ein Muskel. Das ist ein sicheres Zeichen, dass er gleich wie ein Feuerwerkskörper hochgeht. Die Sternchen würde dann garantiert ich sehen, also flehe ich:
„Lass es mich dir erklären.“
Bo knirscht mit den Zähnen, so sehr ringt er um Beherrschung. Kein gutes Zeichen.
„Geh mir aus den Augen, Robin“, zischt er. Und ich? Ich ziehe den Schwanz ein und schleiche runter ins Büro.
17:15 Uhr
Louisa sitzt da, wirft mir ab und an mitleidige Blicke zu und traut sich gar nichts zu sagen. Sie hat Bo bereits während meiner Abwesenheit vor Wut toben hören. Der Haussegen hängt nicht nur schief, er ist mit einem Riesengetöse herabgefallen. Ich lausche in Richtung unserer Wohnung, um zu ergründen, ob Bo vielleicht gerade seine Koffer packt. Natürlich höre ich nichts, was mich immer nervöser macht. Mir ist klar, dass meine Spontanaktion eine Nummer zu krass gewesen war und ich Bo nicht mit einem Essen und einem kuschligen Abend besänftigen kann. Jetzt, wo der sprichwörtliche Drops gelutscht ist, könnte ich mir stundenlang mit einem Brett vor die Stirn schlagen. Wie sagt man so schön: Blöd sein kost ’ kein Geld. In diesen Moment klingelt es an der Bürotür.
„Bleib sitzen“, sage ich zu Louisa, die bereits aufstehen will, und gehe selbst zur Tür. Im Stillen hoffe ich auf Oma Jansen. Der könnte ich mich Trost suchend an die heimelige Kittelschürze werfen und auf Verständnis und glücklich machende Kekse hoffen. Doch es ist nicht Oma Jansen. Überrascht sehe ich mich Oliver Mahlberg gegenüber, der verlegen lächelt.
„Hallo“, sagt er.
„Hallo.“ Da ich in Gedanken noch bei Bo bin, fällt meine Begrüßung offenbar nicht besonders begeistert aus, denn Oliver sagt gleich:
„Mir ist das Foto nicht mehr aus dem Kopf gegangen, aber wenn ich ungelegen komme …“
„Natürlich nicht. Ich freue mich, dass Sie Louisa kennenlernen wollen.“ Ich ringe mich zu einem Lächeln durch und hoffe, dass es nicht wie das Grinsen eines Haifischs wirkt. Mit einem Wink bitte ich ihn herein und er folgt mir ins Büro. Beeindruckt stelle ich fest, dass er sogar Blumen mitgebracht hat. Keine Rosen und kein protziges Bukett sondern einen netten, bunten Strauß, der Louisa bestimmt gefallen wird. Die sieht uns
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