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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Busch
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Flak-Station übrig geblieben ist. Sei vorsichtig, Tweety.“
    „Natürlich.“ Bo lächelt mir aufmunternd zu und schlängelt sich gleich darauf durch den Spalt. Erneut trete ich näher an den Eingang heran, um Bo hinterher zu sehen. In dem starken Lichtkegel der Lampe erkenne ich einen kahlen Raum. Sinnlose Graffitis befinden sich an den Betonwänden, trockenes Laub und kleinere Zweige am Boden. Dazwischen liegen einige staubige Flaschen, die Plastikverpackungen verschiedener Lebensmittel und etliche Zigarettenkippen. Mehr entdecke ich nicht, denn Bo bewegt sich auf eine Treppe zu, die in die Tiefe führt. In der nächsten Sekunde ist alles erneut in Schwärze getaucht.
     
     
    15:52 Uhr
    Mir kommt es vor, als hätte der Schlund der Hölle Bo verschluckt. Nicht einmal der Schein der Taschenlampe ist mehr zu sehen. Was würde er da unten finden? Zu gern wäre ich mitgegangen. Bloß damit hätte ich einen weiteren Streit provoziert und gestritten haben wir in den letzten Tagen genug. Okay, soll Bo eben den edlen Helden spielen und mich vor dem Anblick einer möglichen Leiche schützen. Es wäre nicht die Erste, vor der ich stehen würde. Hinter mir raschelt plötzlich Laub. Im Reflex will ich mich umdrehen, als sich überraschend eine Hand auf meinen Mund presst und ich einen beißenden Schmerz am Hals verspüre. Ich erstarre in dem Griff, mache mich ganz steif.
    „Keinen Mucks und keine Bewegung, Berger. Oder ich schneide Ihnen die Gurgel durch.“
    Das ist eindeutig Noltes Stimme. Und er scheint seine Drohung ernst zu meinen, denn ich fühle warme Feuchtigkeit, die von meinem Hals ausgehend in den Kaschmirschal läuft. Verdammt! Was für ein Timing. Hätte Nolte nicht noch eine Minute warten können, bis ich mich versteckt hätte?
    „Wo ist Ihr Kollege, dieser Amundsen? Im Bunker?“, fragt Nolte leise.
    Ich nicke kaum wahrnehmbar, denn das Messer an meinem Hals fühlt sich entsetzlich scharf an. Ob ich freikäme, wenn ich ihm den Ellenbogen in den Leib ramme? Oder soll ich lieber in die Finger beißen und schreien?
    „Unternehmen Sie nichts Unüberlegtes“, sagt Nolte in drohendem Ton, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich zwinge einen Hustenkrampf nieder, der mir an der scharfen Klinge garantiert den Hals zerfetzt hätte. Das Messer rutscht langsam über meinen Kehlkopf und höher, bis sich die Spitze des kalten Stahls in die weiche Stelle zwischen den Knochen meines Unterkiefers bohrt. Weiteres Blut fließt. Ich beiße die Zähne zusammen.
    „Ich werde jetzt meine Hand von Ihrem Mund nehmen. Höre ich auch nur einen Ton, dann nagele ich Ihre Zunge an Ihr Hirn.“
    Nolte klingt völlig ruhig und sachlich. Genau das ist es, was mir Angst einjagt. Dieses kühle, gelassene Verhalten. Gänsehaut überzieht schlagartig meinen Körper und mir sträuben sich alle möglichen Härchen. Ich glaube ihm jedes Wort, zumal ich den Eindruck habe, erneut den süßlich-muffigen Gestank aus dem Bunker zu riechen. Noltes Finger verschwinden aus meinem Gesicht, packen mich dafür eine Sekunde später fest am Kragen.
    „Ist Amundsen bewaffnet?“
    Soll ich es ihm bestätigen oder nicht? Ich will nicht, dass Bo etwas passiert. Notfalls könnte er sich den Weg freischießen. Mit einer halb automatischen Waffe müsste das für einen geübten Schützen sicherlich möglich sein, nicht wahr? Mir bricht der Schweiß aus. Scheiß Situation! Mein Zögern reicht Nolte als Antwort aus.
    „Das wird ihm nichts nutzen, Berger. Er wird kaum auf Sie schießen. Außerdem passt ein solches Verhalten nicht zum Spiel.“
    Hä? Von was für einem Spiel faselt er da?
    „Mit dreien gleichzeitig habe ich noch nie gespielt. Bestimmt wird es Spaß machen. Uns allen.“
    Drei? Also ist Ingo am Leben. Ich fühle einen Hauch von Erleichterung, der sofort verfliegt, als mich Noltes Hand in meinem Genick vorwärts drückt.
    „Hinein ins Vergnügen“, flüstert er dicht an meinem Ohr, was die Gänsehaut verstärkt.
    Nolte schiebt mich auf den Mauerspalt zu. Sein Leib befindet sich ganz dicht an meinem. Auf diese Weise ist es mir unmöglich, für einen Befreiungsversuch der verzweifelten Art auszuholen. Ich habe Angst. Angst um Bo und natürlich ebenfalls um mich. Das Messer unter meinem Kinn macht die Sache keinen Deut besser. Mit Nolte im Nacken klettere ich durch den Spalt. Wieder schneidet er mich mit dieser verdammten Klinge und ich muss mich wirklich zusammenreißen, damit mir nicht unversehens ein Laut entschlüpft. Ich traue ihm zu, dass er

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