Herr des Chaos
Machtbereich in Andor kaum über Caemlyn hinaus ausgedehnt. Sein blitzschnell und verheerend durchgeführter Angriffszug war nun endlich ins Stocken gekommen - und Omerna befleißigte sich hinzuzufügen, er habe das vorausgesagt. Es war nicht sehr wahrscheinlich, daß sich die Grenzlande so bald den Kindern anschließen würden, um gegen den falschen Drachen ins Feld zu ziehen. Einige Lords in Schienar, Arafel und Kandor nützten die Ruhe in der Fäule dazu aus, sich gegen ihre Herrscher zu erheben, und die Königin von Saldaea hatte sich aufs Land zurückgezogen, weil sie laut Omerna dasselbe in ihrem Land befürchtete. Seine Agenten seien aber fleißig bei der Arbeit, und man würde die Herrscher der Grenzlande schon in die Reihe bringen, wenn einmal diese kleineren Unruhen zerschlagen waren. Auf der anderen Seite seien die Herrscher von Murandy, Altara und Ghealdan bereit, sich den Kindern anzuschließen, wenn sie auch im Augenblick noch zweideutig einherreden müßten, um die Hexen von Tar Valon zu beruhigen. Alliandre von Ghealdan wußte, daß ihr Thron wackelte, und genauso sei ihr klar, wie sie die Kinder benötigte, damit sie nicht ebenso plötzlich gestürzt würde wie ihre Vorgänger. Tylin von Altara und Roedran von Murandy hofften, die Unterstützung der Kinder würde aus ihnen mehr machen als bloße Galionsfiguren. Ganz offensichtlich glaubte der Mann, Niall habe diese Länder schon in der Tasche.
Omerna schilderte die Lage innerhalb Amadicias sogar noch besser. Rekruten scharten sich in viel größerer Anzahl als früher um die Banner der Kinder. Eigentlich fiel das keineswegs in Omernas Zuständigkeit, aber er schmückte seine Berichte stets mit allen möglichen guten Nachrichten aus, die er auftreiben konnte. Der Prophet würde das Land nicht mehr lange unsicher machen. Im Augenblick beschäftige sich dieses Pack damit, im Norden Dörfer und herrschaftliche Güter zu plündern, doch bei vermehrtem Druck durch Ailrons Soldaten würden sie bestimmt nach Ghealdan zurückrennen. In den Gefängnissen sei nicht mehr viel Platz, weil man Schattenfreunde und Spione aus Tar Valon schneller festnahm, als man sie hängen konnte. Die Suche nach den Hexen aus Tar Valon hatte bisher nur in zwei Fällen zum Erfolg geführt, aber man hatte mehr als hundert Frauen verhört, und das sei ein sicheres Anzeichen für die Tüchtigkeit und Wachsamkeit der Patrouillen. Außerdem ließ der Flüchtlingsstrom aus Tarabon deutlich nach. Beweis genug, daß die Quarantänemaßnahmen immer wirksamer griffen. Diejenigen, die man aufgegriffen hatte, schob man, so schnell man sie zur Grenze schaffen konnte, wieder nach Tarabon ab. Letzteres berichtete er leicht verlegen und hastig, was angesichts seiner Dummheit in bezug auf die Feuerwerker auch kein Wunder war.
Niall hörte gerade so aufmerksam zu, um an den richtigen Stellen zu nicken. Omerna war ein fähiger Offizier gewesen, solange ihm jemand sagte, was er tun solle, aber in seiner augenblicklichen Position war diese Leichtgläubigkeit denn doch eine Zumutung. Er hatte von Morgases Tod berichtet, daß ihre Leiche gefunden und zweifelsfrei identifiziert worden sei, und diese Behauptung bis zu jenem Tag beibehalten, an dem er ihn Morgase gegenübergestellt hatte. Er hatte sich über ›Gerüchte‹ lustig gemacht, der Stein von Tear sei gefallen, und selbst heute noch leugnete er ab, die stärkste Festung der Welt könne von außen her erobert worden sein. Statt dessen bestand er darauf, es habe sich um Verrat gehandelt; ein Hochlord habe den Stein an al'Thor und Tar Valon verraten. Er bestand auch darauf, die Katastrophe bei Falme und die Unruhen in Tarabon und Arad Doman seien das Werk des Heeres von Artur Falkenflügel gewesen, das über das Aryth-Meer zurückgekehrt sei. Er war davon überzeugt, daß Siuan Sanche keineswegs abgesetzt und beseitigt worden sei. Al'Thor sei wahnsinnig und liege im Sterben. Tar Valon habe König Galldrian ermorden lassen, um absichtlich in Cairhien einen Bürgerkrieg auszulösen, und alle drei ›Tatsachen‹ hätten irgendwie mit diesen lächerlichen Gerüchten zu tun, die immer dazu passend angeblich von weit entfernten Orten stammten und in denen von Leuten die Rede war, die plötzlich in Flammen stünden, oder von Alptraumwesen, die von nirgendwoher erschienen und ganze Dörfer ausrotteten. Er sei sich noch nicht sicher, wie das alles zusammenhing, aber er arbeite an einer großartigen Theorie, die jeden Tag vollendet sein könnte, und diese
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