Herr des Chaos
anschließen?«
»Wiederum: vielleicht. Er wird nicht als Leiche oder als Marionette enden wollen. Sein einziges Ziel ist, sich die Lorbeerkrone zu erhalten, und das Heer, das sich in Tear sammelt, dürfte ihn ganz schön ins Schwitzen bringen.« Balwer lächelte dünn; eigentlich preßte er nur die Lippen aufeinander. »Er hat offen darüber gesprochen, auf den Vorschlag meines Lords einzugehen, aber andererseits habe ich gerade erfahren, daß er in Verbindung mit der Weißen Burg steht. Anscheinend hat er sich zu irgend etwas bereit erklärt, doch ich weiß noch nicht, worum es geht.«
Die ganze Welt wußte, daß Abdel Omerna der Befehlshaber aller Spione der Kinder war. Ein solches Amt hätte natürlich geheim bleiben sollen, aber Stalljungen und Bettler zeigten schon auf der Straße auf ihn, wenn auch heimlich, damit der gefährlichste Mann in Amadicia sie nicht dabei erwischte. In Wahrheit diente dieser Narr Omerna nur zur Ablenkung, ein Dummkopf, der selbst nicht wußte, daß er in Wirklichkeit die Maske war, hinter der sich der wirkliche Meister aller Spione in der Festung des Lichts verbarg: Sebban Balwer, Nialls steifer, ausgetrockneter kleiner Sekretär mit dem mißbilligenden Zug um den Mund. Ein Mann, hinter dem niemand so etwas vermuten würde, und selbst wenn man ihn als den eigentlichen Amtsinhaber bezeichnete, würde es niemand glauben.
Wenn Omerna alles glaubte, so glaubte Balwer nichts. Vielleicht glaubte er noch nicht einmal an Schattenfreunde oder den Dunklen König. Falls Balwer irgend etwas im Sinn hatte, dann war es das Belauschen anderer. Er blickte ihnen vorzugsweise heimlich über die Schultern, lauschte ihrem Geflüster und grub ihre Geheimnisse aus. Natürlich hätte er jedem anderen Herrn genauso treu gedient wie Niall, aber das war auch gut so. Was Balwer erfuhr, war niemals von dem gefärbt, was er für die Wahrheit hielt oder was er sich wünschte. Da er nichts glaubte, war er um so besser imstande, die Wahrheit herauszufinden.
»Nichts anderes, als was ich aus Illian zu hören erwartete, Balwer, aber selbst er kann auf unsere Seite gebracht werden.« Das war auch notwendig. Es durfte einfach noch nicht zu spät sein. »Gibt es irgend etwas Neues aus den Grenzlanden?«
»Noch nicht, mein Lord. Aber Davram Bashere befindet sich in Caemlyn. Mit dreißigtausend Mann leichter Reiterei, wie meine Informanten behaupten, aber ich glaube, es sind nicht mehr als halb so viele. Er würde Saldaea nicht zu sehr schwächen, so ruhig es auch gerade in der Fäule zugeht, selbst wenn Tenobia das anordnete.«
Niall knurrte, und der Winkel seines linken Auges zuckte. Er fühlte nach der Zeichnung in der Mappe. Angeblich war es eine recht genaue Darstellung al'Thors.
Bashere in Caemlyn; das war ein guter Grund dafür, warum sich Tenobia vor seinem Abgesandten auf dem Lande verbarg.
Es gab keine guten Nachrichten aus den Grenzlanden, was auch Omerna glauben mochte. Die ›kleineren Unruhen‹, von denen Omerna berichtet hatte, waren tatsächlich unbedeutend, aber es drehte sich nicht um Rebellionen, wie der Mann glaubte. Überall an der Grenze der Fäule stritten die Menschen darüber, ob al'Thor nur ein weiterer falscher Drache sei oder der Wiedergeborene Drache selbst. Da die Leute dort nun einmal sehr heftig waren, arteten diese Streitigkeiten gelegentlich in Kämpfe aus, aber nur in einem geringen Umfang. Das hatte in Schienar angefangen, ungefähr zu der Zeit, als der Stein von Tear fiel. Und dies war wohl die Bestätigung dafür, daß die Hexen in diese Sache verwickelt waren. Wie das alles ausgehen würde, konnte Balwer im Moment auch nicht voraussagen.
Daß sich al'Thor nach wie vor auf Caemlyn beschränkte, war eines der wenigen Dinge, in denen Omerna recht hatte. Aber warum blieb er dort, wo er doch Bashere und die Aiel und die Hexen zur Verstärkung hatte? Nicht einmal Balwer hatte ihm diese Frage beantworten können. Doch welchen Grund das auch immer haben mochte, dem Licht sei Dank dafür! Sicher, die Banden des Propheten hatten sich eingeschlichen, um den Norden Amadicias zu plündern, aber sie schienen ihre Eroberungen lediglich halten zu wollen und töteten jeden, der sich weigerte, sich zum Propheten des Drachen zu bekennen. Andere wurden in die Flucht geschlagen.
Ailrons Soldaten hatten ihren Rückzug beendet, aber nur, weil der verfluchte Prophet seinen Vormarsch beendet hatte. Alliandre und die anderen, von denen Omerna überzeugt war, sie würden sich Niall anschließen,
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