Herr des Chaos
eine plötzliche Brise über das Gesicht, und sie bemerkte erst jetzt, daß Laurain sich aus dem Sattel gebeugt hatte und ihr mit einem weißen Spitzenfächer Luft zufächelte. Laurain war eine schlanke junge Frau mit dunklen Augen, die ein wenig zu nahe beieinander standen. Außerdem trug sie ständig ein gekünsteltes Lächeln zur Schau. »Es muß so wundervoll für Ihre Majestät sein, zu erfahren, daß Euer Sohn sich den Kindern des Lichts angeschlossen hat. Und daß er so schnell im Rang aufgestiegen ist!«
»Das sollte nicht weiter überraschen«, sagte Altalin und fächelte ihrem runden Gesicht Luft zu. »Der Sohn Ihrer Majestät steigt selbstverständlich schnell auf, so wie die Sonne in ihrer Pracht.« Sie genoß das beifällige Murmeln einiger der anderen Frauen ob ihres mühseligen Bonmots.
Morgase behielt mit Mühe eine ruhige Miene bei. Nialls Nachricht, die er ihr bei einem seiner unangekündigten Besuche gestern abend überbracht hatte, hatte sie denn doch überrascht. Galad als Weißmantel! Wenigstens befand er sich in Sicherheit, wie Niall gesagt hatte. Aber er sei nicht in der Lage, sie zu besuchen, denn die Pflichten eines Kindes des Lichts hielten ihn davon ab. Doch ganz sicher würde er zu ihrer Eskorte gehören, wenn sie an der Spitze eines Heeres der Kinder nach Andor zurückkehrte.
Nein, Galad war nicht sicherer als Elayne oder Gawyn. Vielleicht sogar noch weniger. Das Licht gebe, daß sich Elayne in der Burg in Sicherheit befinde. Das Licht gebe, daß Gawyn am Leben sei. Niall behauptete, er wisse nicht, wo sich Gawyn aufhalte; jedenfalls sei er nicht in Tar Valon. Galad war das Messer an ihrer Kehle. Niall wäre niemals plump genug, um das auch nur anzudeuten, aber ein einfacher Befehl seinerseits konnte Galad an einen Ort schicken, an dem er mit Sicherheit ums Leben käme. Der einzige Umstand, der in seinem Fall einen Schutz darstellte, war Nialls Meinung, ihr liege nicht soviel an ihm wie an Elayne und Gawyn.
»Es freut mich für ihn, wenn es das ist, was er will«, sagte sie in gleichgültigem Plauderton zu ihnen. »Aber er ist Taringails Sohn und nicht meiner. Die Hochzeit mit Taringail war eine politische Angelegenheit, müßt Ihr wissen. Seltsam, er ist nun schon solange tot, daß ich mich kaum an sein Gesicht erinnern kann. Galad kann tun und lassen, was er will. Gawyn wird Erster Prinz des Schwertes, wenn Elayne mir auf dem Löwenthron nachfolgt.« Sie winkte einem Diener ab, der ihr einen Weinpokal auf einem Tablett anbot. »Niall hätte uns wenigstens mit einem anständigen Wein versorgen können.« Eine Welle ängstlichen Geschnatters antwortete ihr. Sie war halbwegs erfolgreich darin gewesen, diese Frauen etwas enger an sie zu binden. Trotzdem nahmen sie natürlich eine mögliche Herausforderung Pedron Nialls ernst, denn so etwas konnte Folgen haben. Morgase nutzte aber jede Gelegenheit, in ihrer Gegenwart solche Dinge zu sagen. Das überzeugte sie von ihrem Mut, was wiederum wichtig werden konnte, wollte sie wenigstens eine gewisse Loyalität in ihnen erwecken. Und noch wichtiger, zumindest für ihr Selbstwertgefühl: es half, die Illusion aufrechtzuerhalten, daß sie nicht Nialls Gefangene sei.
»Wie ich hörte, zeigt Rand al'Thor den Löwenthron vor wie eine Jagdtrophäe.« Das war Marande, eine hübsche Frau mit herzförmigem Gesicht, etwas älter als die anderen. Als Schwester des Hochsitzes des Hauses Algoran war sie selbst recht einflußreich, vielleicht sogar mächtig genug, um Ailron zu widerstehen, aber nicht Niall. Die anderen ließen ihre Pferde zur Seite ausweichen, damit sie auf ihrem braunen Wallach näher zu Morgase reiten konnte. Es stand überhaupt nicht zur Debatte, ihre Loyalität oder gar Freundschaft zu gewinnen.
»Das habe ich auch gehört«, antwortete Morgase unbekümmert. »Es ist gefährlich, einen Löwen zu jagen, und beim Löwenthron trifft das noch mehr zu. Besonders bei einem Mann. Er tötet stets die Männer, die ihn erringen wollen.«
Marande lächelte. »Ich hörte auch, daß er Männern hohe Ämter verleiht, die mit der Macht umgehen können.«
Das rief unter den anderen Frauen unsichere Blicke hervor und ein besorgtes Gemurmel. Eine der jüngeren Frauen, Marewin, zierlich und fast noch ein Mädchen, wankte auf ihrem glücklicherweise vorn und hinten hochgezogenen Sattel, als sei sie einer Ohnmacht nahe. Die Nachricht von al'Thors Amnestie hatte furchterregende Geschichten hervorgerufen, nur Gerüchte natürlich, wie Morgase mit aller
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