Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
aus steinhart verbackenem Lehm, und auf dieser ritten sie südwärts nach Amador weiter. Waldstreifen wechselten sich ab mit Gestrüpp und ummauerten, brachliegenden Feldern. Das eine oder andere Steingebäude mit Strohdach und einer Scheune dahinter stand ein wenig von der Straße entfernt. Viele Leute benützten die Straße, und so stand beständig eine Staubwolke darüber, Morgase band sich ein seidenes Taschentuch vor das Gesicht, obwohl die Leute schnell zur Seite rannten, nachdem sie ihre Truppe bewaffneter und gerüsteter Männer gesichtet hatten. Manche eilten sogar unter die Bäume oder sprangen über die Mäuerchen und rannten querfeldein weiter. Die Weißmäntel beachteten sie nicht, und es erschienen auch keine Bauern, die den querfeldein Rennenden wütend hinterhergeschrien oder die Fäuste geschüttelt hätten. Einige der Höfe wirkten verlassen, da nicht einmal Hühner oder andere Tiere zu sehen waren.
    Unter der Menschenmenge auf der Straße sah man hier einen Ochsenkarren, dort einen Mann, der einige Schafe einhertrieb, ein Stück weiter eine junge Frau mit einer Herde Gänse. Diese Menschen waren ganz offensichtlich Einheimische. Manche hatten sich ein Bündel oder eine Mappe am Tragriemen über die Schulter gehängt, doch die meisten kamen mit leeren Händen und wirkten, als hätten sie keine Ahnung, wohin sie eigentlich gingen. Menschen dieser Art waren immer häufiger anzutreffen, wenn Morgase gestattet worden war, Amador zu verlassen, und es spielte keine Rolle dabei, in welche Richtung sie ritt.
    Morgase rückte das Taschentuch über ihrer Nase zurecht und beäugte Norowhin von der Seite her. Er war ungefähr so alt und so groß wie Tallanvor, aber da endete die Ähnlichkeit auch schon. Sein rotes Gesicht unter dem glänzenden, kegelförmigen Helm schälte sich gerade nach gewaltigem Sonnenbrand, und eine Schönheit war er auch nicht gerade. Seine schlaksige Gestalt und die hervorstehende Nase ließen sie an eine Spitzhacke denken. Jedesmal, wenn sie die Festung des Lichts verließ, führte er ihre ›Eskorte‹, und jedesmal bemühte sie sich, ihn endlich einmal in ein Gespräch zu verwickeln. Weißmantel oder nicht, jeder Fingerbreit, um den sie ihn von der Rolle ihres Gefängniswärters abbringen konnte, wäre ein Erfolg. »Fliehen diese Menschen vor dem Propheten, Norowhin?« Das konnte nicht für alle zutreffen, denn genauso viele wanderten nach Norden wie nach Süden.
    »Nein«, sagte er knapp, ohne sie auch nur anzusehen. Seine Blicke suchten die Straßenseiten ab, als erwarte er jeden Moment eine bewaffnete Truppe, die sie retten sollte.
    Das war unglücklicherweise die gleiche Art von Antwort, die sie jedesmal von ihm erhielt. Doch sie war hartnäckig. »Wer sind sie? Sicher keine Taraboner. Ihr leistet gute Arbeit, wenn Ihr sie immer in Bewegung haltet.« Sie hatte beobachtet, wie eine größere Gruppe von Tarabonern, ungefähr fünfzig Leute, Männer, Frauen und Kinder, schmutzig und vor Erschöpfung stolpernd, von berittenen Weißmänteln wie Vieh weitergetrieben worden war. Nur das bittere Wissen darum, daß sie völlig machtlos war, hatte sie dazu in die Lage versetzt, ihren Mund zu halten. »Amadicia ist ein reiches Land. Selbst diese Dürre kann nicht so viele in nur wenigen Monaten von ihrem Land vertrieben haben.«
    In Norowhins Gesicht arbeitete es. »Nein«, sagte er schließlich. »Sie fliehen vor dem falschen Drachen.«
    »Aber wieso? Er befindet sich Hunderte von Meilen von Amadicia entfernt.«
    Wieder wurde ein innerer Kampf auf dem sonnenverbrannten Gesicht des Mannes deutlich. Entweder rang er um Worte, oder er wollte nichts sagen. »Sie glauben, er sei der echte Wiedergeborene Drache«, sagte er endlich, und es klang angewidert. »Sie sagen, er habe alle Bande zerrissen, wie es geweissagt wurde.
    Männer verlassen ihren Dienst bei ihren Lords, Lehrlinge rennen ihren Meistern weg ... Ehemänner verlassen ihre Familien, und Frauen ihre Männer. Es ist wie eine Seuche, die vom Wind weitergetragen wird, und dieser Wind weht von dem falschen Drachen her.«
    Morgases Blick fiel auf einen jungen Mann und eine Frau, die sich eng umschlungen in den Armen hielten und zusahen, wie ihre Gesellschaft vorbeiritt. Schweißspuren zogen sich durch den Schmutz auf ihren Gesichtern, und der Staub lag dicht auf ihrer schlichten Kleidung. Sie wirkten hungrig. Ihre Wangen waren eingefallen und ihre Augen viel zu groß. Konnte dasselbe auch in Andor geschehen? Hatte Rand al'Thor Andor das

Weitere Kostenlose Bücher