Herr des Chaos
mit den Adligen zusammen Pläne schmieden, muß ich etwas
gegen sie unternehmen.
Geh weg, befahl Rand ihm.
Neun sind zu gefährlich, selbst wenn sie nicht ausgebildet sind. Zu gefährlich. Kann sie nicht gewähren lassen. Nein. O nein.
Geh weg, Lews Therin!
Ich bin nicht tot! heulte die Stimme. Ich verdiene den Tod, aber ich lebe! Ich lebe! Ich lebe!
Du bist tot! schrie Rand in seinem Kopf zurück. Du bist tot, Lews Therin!
Die Stimme verklang, und das heulend ausgestoßene Ich lebe! verblaßte.
Rand stand zitternd auf, füllte seinen leeren Becher und trank den gewürzten Wein in einem Zug aus. Schweiß tropfte von seinem Gesicht, und sein Hemd klebte an ihm. Es kostete ihn Mühe, sich wieder zu konzentrieren. Lews Therin wurde beharrlicher. Eines war sicher: Wenn Merana mit den Adligen Ränke schmiedete, besonders mit den Adligen, die zum Aufstand bereit waren, und wenn er Elayne nicht bald heranschaffte, um sie zufriedenzustellen, dann mußte er etwas unternehmen. Leider hatte er keine Ahnung, was dies sein könnte.
Ich töte sie, flüsterte Lews Therin. Neun sind zu gefährlich, aber wenn ich einige töte, wenn ich sie verjage ... sie töte ... sie dazu bringe, mich zu fürchten... Ich will nicht wieder sterben... Ich verdiene den Tod, aber ich will leben... Er begann zu weinen, aber das leise Flüstern erklang weiterhin.
Rand füllte seinen Becher erneut und versuchte, nicht zuzuhören.
Als das Origan-Tor in die Innere Stadt in Sicht kam, verlangsamte Demira Eriff ihr Tempo. Einige Männer auf der bevölkerten Straße betrachteten sie bewundernd, während sie sich an ihr vorbeidrängten, und sie merkte sich ungefähr zum tausendsten Mal im Geiste vor, daß sie aufhören sollte, die freizügigen Gewänder ihrer Heimat Arad Doman zu tragen, vergaß es aber auch zum tausendsten Mal sofort wieder. Kleidung war wohl kaum wichtig - sie ließ sich seit Jahren dieselben sechs Gewänder nachfertigen -, und wenn ein Mann, der sie nicht als Aes Sedai erkannte, unverschämt wurde, war es nicht schwer, ihm deutlich zu machen, wem gegenüber er sich unverschämt verhielt. Das schaffte ihr die Männer zumeist schnell vom Hals, normalerweise so schnell sie laufen konnten.
Im Moment interessierte sie nur das Origan-Tor, ein großer weißer Marmorbogen in der schimmernden weißen Mauer, und der Strom der Menschen, Karren und Wagen, die unter den Augen von einem Dutzend Aielmännern hindurchgelangten und die Demira für nicht so abgelenkt hielt, wie sie auf den ersten Blick schienen. Sie erkannten eine Aes Sedai vielleicht, wenn sie eine sahen. Erstaunliche Menschen taten dies zuweilen. Außerdem war sie seit der Rosenkrone verfolgt worden. Jene Umhänge und Hosen, die mit Felsen und Büschen verschmelzen konnten, fielen auf einer belebten Straße auf. Selbst dann hätte sie nicht die Innere Stadt betreten und Meranas Zorn riskiert, indem sie die Stadt betreten hätte, ohne zuerst um al'Thors Erlaubnis zu bitten, wenn sie es gewollt hätte. Wie sehr es sie verbitterte, daß eine Aes Sedai die Erlaubnis eines Mannes erbitten mußte. Sie wollte nur kurz einen gewissen Milam Harnder sehen, den Zweiten Bibliothekar der Bibliothek im Königlichen Palast und seit fast dreißig Jahren ihr Vermittler.
Die Bibliothek im hiesigen Palast konnte sich sicher nicht mit derjenigen in der Weißen Burg oder mit der Königlichen Bibliothek in Cairhien oder der Terhana-Bibliothek in Bandar Eban messen, aber der Wunsch, fliegen zu können, war genauso unsinnig wie der Wunsch, zu einer von diesen Einlaß zu bekommen. Dennoch - wenn ihre Nachricht Milam erreicht hatte, würde er nach den Büchern suchen, die sie haben wollte. Die Palast-Bibliothek konnte sehr wohl Hinweise über die Siegel am Gefängnis des Dunklen Königs enthalten und vielleicht sogar Quellen auflisten, obwohl das vielleicht eine zu große Hoffnung war. In den meisten Bibliotheken fanden sich in den Ecken herumliegende Bände, die schon vor langer Zeit hätten katalogisiert werden sollen, aber irgendwie hundert oder fünfhundert oder noch mehr Jahre lang unbeachtet geblieben waren. Die meisten Bibliotheken enthielten Schätze, die sogar die Bibliothekare selbst nicht dort vermuteten.
Sie wartete geduldig, ließ die Menge an sich vorüberfließen und achtete nur auf die Menschen, die aus dem Tor herauskamen, aber sie sah Milams kahlen Kopf und rundes Gesicht nicht Schließlich seufzte sie. Er hatte ihre Nachricht offensichtlich nicht erhalten. Andernfalls hätte er jede
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