Herrin der Lüge
sind Söldner. Ich habe im Bürgerkrieg auf der Seite des Kaisers gekämpft.
»Wie ist dein Name?«
»Zinder, Herr.«
Der Hofkanzler atmete hörbar aus. »Zinder. Ich kenne Euren Namen, aber nicht Euer Gesicht. Ihr habt die Seiten gewechselt daran zumindest kann ich mich erinnern.«
»Ich kenne Euren Namen ebenfalls, Herr. Ich weiß, dass Ihr ein Vertrauter unseres früheren Königs Philipp wart. Und nun seid Ihr der Kanzler des Kaisers.« Sein Ton wurde eine Spur schärfer. »Sagt mit, was genau findet Ihr verwerflich daran, die Seiten zu wechseln?«
Scharffenberg hielt seinem Blick stand, aber Faun sah, dass seine Kiefer unruhig mahlten. Zinder trieb ein gefährliches Spiel.
Der Hofkanzler ging fürs Erste nicht darauf ein, sondern sagte: »An Bord eines Schiffes, so, so. Und wie genau –«
Zinder fiel ihm ins Wort: »Sie ist versteckt unter Deck gereist. Hat sich wohl in Venedig an Bord geschlichen. Mein junger Freund hier und ich waren als Leibwächter von dem Händler angeheuert worden, dessen Ware das Schiff nach Osten brachte. Einen halben Tagesritt von hier, vor der Küste, haben ein paar Männer von der Mannschaft die Prinzessin entdeckt, schmutziges Gesindel ohne Anstand. Die Männer wollten … nun, Ihr mögt es Euch denken können. Jedenfalls gingen mein Gefährte und ich dazwischen, und es gelang uns, das Mädchen … Ihre Majestät unversehrt von Bord zu schaffen.« Er deutete auf seine zerrissene Kleidung und die kaum verkrusteten Wunden darunter. »Es war nicht ganz leicht, und wir haben einen Preis dafür bezahlt.«
Keine schlechte Geschichte, fand Faun, aber mit einem gefährlichen Haken: Falls er und Tiessa nördlich der Alpen tatsächlich von Männern des Kaisers verfolgt worden waren, dann mochte bekannt sein, dass die Prinzessin in Begleitung eines jungen Mannes gereist war. Eines Mannes, auf den Fauns Beschreibung passte. Aber er war nicht sicher, ob eine solche Beschreibung tatsächlich bis hierher gelangt sein konnte – eigentlich wäre kaum Zeit dafür gewesen –, und sie mochten Glück haben. Vielleicht.
Scharffenberg betrachtete sie weiterhin aus seinen blauen, ungemein stechenden Augen. »Warum habt ihr sie vor diesen Männern gerettet?«
»Warum?«, entfuhr es Zinder. »Wir sind Söldner, Herr. Und wenn Ihr meinen Namen kennt, so solltet Ihr wissen, dass ich lange Zeit einen eigenen Haufen angeführt habe. Ich habe Jahre damit verbracht, Männer nach getaner Arbeit davon abzuhalten, über wehrlose Frauen herzufallen. Und, mit Verlaub, Ihr mögt einen hübscheren Waffenrock tragen als ich, aber meiner sieht aus, wie er aussieht, weil er die Bekanntschaft von Schwertern und Dolchen und Äxten gemacht hat, während ich versucht habe, die Unschuld und das Leben Eurer Prinzessin zu retten!«
Mochte sein, dass er genau jene Mischung aus Stolz und Entrüstung traf, die einen Mann wie Scharffenberg beeindrucken konnte. Oder aber der Hofkanzler schenkte seinen Worten tatsächlich Glauben. Faun vermochte nicht zu sagen, was es war, das die Stimmung von einem Moment zum nächsten zu ihren Gunsten umschlagen ließ. Tatsache war, dass die Härte in den Zügen des Kanzlers sich kaum merklich löste und ein neuer Ausdruck in seinen Augen erschien.
»Wartet hier«, sagte Scharffenberg, trat durch die Flügeltür und war verschwunden. Sie hörten seine Schritte hinter dem Holz, dann gedämpft und unverständlich seine Stimme.
Fauns Blick suchte die Soldaten am anderen Ende des Gangs. Sie hatten sich breitbeinig dort aufgebaut, der eine mit verschränkten Armen, der andere die Rechte noch immer auf dem Schwertknauf. Jetzt grinste keiner mehr. Auch die beiden Männer schienen gespannt darauf, welchen Ausgang diese Begegnung nehmen würde.
Faun beugte sich zu Zinder und wollte etwas sagen, doch der Söldner brachte ihn mit einem Kopfschütteln zum Schweigen. Erst jetzt begriff Faun, wie angespannt der Söldner wirklich war. Die ganze Entschlossenheit, sein Hochmut und Trotz bekamen Risse, und darunter erhaschte Faun einen Blick auf Zinders wahre Verfassung. Sie unterschied sich kaum von seiner eigenen nur dass der Söldner sie geschickter zu verbergen verstand.
Nach einer Weile kehrten die Schritte des Hofkanzlers zurück zur Tür, sie wurde geöffnet und Scharffenberg erschien im Schein der Öllampen.
»Tretet ein«, sagte er. »Seine Majestät ist jetzt bereit, euch zu empfangen.«
Tiessa saß auf einem hochlehnigen Stuhl zur Rechten des Kaisers. Vier Leibgardisten bildeten einen
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