Herrscher der Eisenzeit
sehen. In Armorica angekommen, lässt er deshalb eine Flotte von Galeeren bauen, bemannt sie mit eigenen Legionären und südostgallischen Hilfstruppen. Schnell wird klar, dass die venetischen Schiffe den römischen Galeeren deutlich überlegen sind. Es sind wendige Segler, gelenkt von Männern, die sich über viele Jahre auf See die notwendige Erfahrung erworben haben. Nach etlichen Verlusten erkennt Caesar jedoch die Schwachstelle der venetischen Schiffen – und nutzt sie erbarmungslos aus. Mit langen Haken reißen die römischen Besatzungen die Segel und die Takelage der venetischen Schiffe herunter und machen sie so manövrierunfähig. Das bringt die Wende. In einer erbitterten Seeschlacht in der Bucht von Morbihan schlägt Caesar die Venetii so nachhaltig, dass mit dem Untergang ihrer Flotte auch jeglicher Widerstand in der Region zusammenbricht. Damit er nicht wieder aufflammen kann, greift er zu ähnlich drastischen Maßnahmen wie bei den Nervii: Er lässt alle Mitglieder des Stammesrates der Venetii hinrichten und verkauft den Rest der Bevölkerung in die Sklaverei.
Ende des Jahres 56 v. Chr. ist Gallien fest in römischer Hand. Die Berichte aus den verschiedenen Landesteilen geben keinen Anlass zu erhöhter Wachsamkeit oder übertriebener militärischer Präsenz.
Caesar ist jedoch nicht der Mann, der sich leicht in Sicherheit wiegen lässt. Er mag Gallien formell befriedet und darüber hinaus die Seeherrschaft an der Westküste erstritten haben, doch der Friedenist noch frisch und instabil. Ganz besonders wichtig erscheint es ihm zu Beginn der Feldzugsaison des Jahres 55 v. Chr., die äußeren Grenzen dessen zu sichern, was einmal die neue römische Provinz Gallien werden soll. Und so überschreitet er zunächst den Rhein und dringt einige Tagesmärsche in germanisches Gebiet vor, nur, um sich dann wieder zurückzuziehen. Er hat Präsenz gezeigt. Einen ernsthaften Feldzug gegen Germanien plant er nicht.
Aber unabhängig vom Zustand Galliens tritt jetzt wieder ein altes Problem an ihn heran. Seine Zeit als kommissarischer Statthalter in Gallien läuft im März des nächsten Jahres aus. Sicher, er hat große Siege für Rom errungen, doch er macht sich keine Illusionen über seine Zukunft. Und außerdem, warum soll er jetzt, wo er eine riesige Streitmacht und ein halbwegs befriedetes Hinterland zu seiner Verfügung hat, wo er alles gewinnen kann, einfach aufhören? Im Gegenteil, das Schlimmste, was ihm jetzt passieren kann, ist ein Ende des Feldzuges zu diesem Zeitpunkt. Ein Vorstoß in eine Region dagegen, die in der römischen Vorstellung bislang gedanklich völlig im Dunklen liegt, die zwar mit großen Reichtümern, aber auch gleichzeitig mit wilden Barbaren und blutrünstigen Ritualen in Verbindung gebracht wird, wäre genau das, was die auctoritas eines Feldherrn erheblich aufwerten würde.
Und auf der anderen Seite des Kanals liegt eine Region, die diese Kriterien erfüllt.
Den Rest des Jahres 55 v. Chr. und das gesamte Folgejahr verbringt Caesar mit zwei militärischen Expeditionen nach Britannien. Beide scheitern aufgrund des Zusammentreffens verschiedener Faktoren wie schlechter Aufklärung, ungünstiger Witterungsbedingungen und mangelhafter Nachschubsicherung.
Zwischen den beiden Expeditionen, im Winter 55/54 v. Chr. reist er nach Rom. Die Nachrichten, die ihn dort erwarten, sind vorrangig positiver Natur. Seine Anhänger haben dafür gesorgt, dass er trotz des Scheiterns der ersten Expedition als Held von Rom gefeiert wird, der sich unerschrocken in unbekanntes Land vorgewagt hat. Viel wichtiger jedoch: Der Senat hat ihm in seiner Abwesenheit weitere fünf Jahre als Gouverneur von Gallien bewilligt.
Als Caesar gegen Ende des Jahres 54 v. Chr. aus Britannien zurückkehrt, sieht er sich mit einem neuen Problem konfrontiert. In Gallien ist die Ernte des Jahres schlecht ausgefallen. Selbst wenn er am Standort seiner Legionen alles Getreide konfisziert, das die Bevölkerung in den Speichern hat, reicht es nicht aus, um derart große Truppenkontingente zu versorgen. So sehr es ihm widerstrebt, er muss seine Legionen in kleineren Einheiten über ein größeres Territorium verteilen, als ihm eigentlich lieb ist. Als Nächstes muss er abwägen, ob er lieber bei der Truppe in einem scheinbar befriedeten Gallien überwintert, oder sich lieber in das ebenfalls seiner Administration unterstehende Gallia cisalpina zurückzieht. Trotz des sich zuspitzenden Konflikts mit Pompeius in Rom beschließt er,
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