Herrscherin des Lichts
mochte –, sie würde denjenigen abgrundtief hassen bis zu ihrem letzten Atemzug. Aber es war unmöglich für ihn, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Nicht in seinem Zustand. Kein Sterblicher könnte sie töten, eine geschulte Assassine im Dienste von Königin Mabb. Kaum ein Wesen konnte es mit der Klinge eines Assassinen aufnehmen. Sollte dieser Darkworlder es versuchen, wäre es sein Untergang.
Lass ihn. Lass es ihn versuchen, vernichte ihn und gehorche damit der Gäis. Dies schien doch eine durchaus vernünftige Lösung zu sein. Sie hatte ihren Schwur zweimal gebrochen. Zweimal in ebenso wenigen Nächten. Nach fünf Jahren bedingungsloser Loyalität, in denen sie niemals auch nur einer Versuchung erlegen war. Wegen dieser Kreatur.
Und weshalb? Aus Mitleid? Das Wort jagte ihr einen Schauer der Abscheu über den Rücken. Mitleid. Es gab nicht den geringsten Grund, diese Wesen zu bemitleiden, diese bösartigen, verdorbenen Bestien, deren jämmerliches Dasein sich kaum von dem der Insekten in ihren dreckigen Löchern unterschied. Wenn dieser starb, gäbe es einen weniger von ihnen. Das war alles.
Warum aber, wenn es so leicht war, bereitete ihr der bloße Gedanke solchen Schmerz? Wahrscheinlich, weil einfach ihre Nerven blank lagen. Vielleicht würde ihre schon bald besiegelte Bindung mit Garret ihr eine Ausrede liefern, um die Gilde zuverlassen, ohne die Fragen beantworten zu müssen, von denen sie wusste, dass sie Schande über sie bringen würden.
Nein. Es gibt nur eins, was dein Problem lösen kann. Und du hast es entkommen lassen! Sie kroch aus der Mauernische in der Tunnelwand und zog ihr Schwert. Er konnte noch nicht weit sein. Mit seinen gigantischen Flügeln war ein rasches Fortkommen für ihn so gut wie ausgeschlossen, sein Körper würde unter der Last sicher schnell ermüden. Es bräuchte nicht mehr als einen kleinen Sprint, um ihn einzuholen, und noch weniger Zeit würde es sie kosten, ihn zu erledigen.
Ein schneidender Schmerz fuhr durch ihren verletzten Arm. Sie schloss die Augen und benutzte den inneren Blick, um die Wunde genauer zu untersuchen. In ihrer Brust sah sie den Baum ihrer Lebenskraft in schimmerndem Grün leuchten, doch die Äste, die in der Nähe ihres aufgerissenen Fleisches wuchsen, hatten ein herbstliches Orange angenommen, das in knalliges Rot überging, wo die Funken ihrer Lebenskraft die Ränder der Wunde berührten und wie kleine Bläschen zerplatzten. Sie würde es nicht schaffen, dies hier allein zu heilen.
Es wäre kein erneuter Bruch der Gäis, einen Heiler aufzusuchen, bevor sie den Engel tötete. Und es würde sie nicht in so große Gefahr bringen. Sie schnallte ihr Schwert wieder auf dem Rücken fest und drehte sich um, einen letzten Blick in die Richtung werfend, in die der Darkworlder geflüchtet war.
Auf dem Streifen gab es einen Heiler, der von der Gilde anerkannt war. Zumindest soweit eine Anerkennung für einen Menschen reichen konnte, obendrein noch einen, dessen Dienste in Anspruch zu nehmen jedem freistand, ob Darkworlder oder Lightworlder.
Es war nicht schwierig, den Weg aus der Darkworld herauszufinden, wenn man ihn kannte, und Ayla kannte ihn. Das taten alle Assassine. Die Lightworld hielt ihre Grenzen geschlossen und bewacht, und nur wenige durften sie überschreiten. Selbst die Trolle, diese widerwärtigen Steinfresser aus den heruntergekommenstenSlums, akzeptierten das. Vielleicht hatten sie auch einfach nicht genug Hirn, um dagegen zu protestieren. Der Streifen war eine Zone, in der einem an jeder Ecke Drogen, Alkohol und andere Substanzen hinterhergeworfen wurden, genau die Sorte Währung, mit der ihre verwahrloste Rasse ihre Geschäfte tätigte, was es unwahrscheinlich machte, dass sie sich von dieser Quelle fernhalten lassen würden, es sei denn, sie wussten nichts von deren Existenz.
Die Darkworld hingegen schien vollkommen unbesorgt angesichts des Abschaums, der tagtäglich ihre Grenzen passierte. Sie ließen sogar Menschen hinüber, bei Brownyns Haar! Es war eine praktische Sache für einen Assassinen, der seine Beute bis in das gesetzlose Terrain der Darkworld verfolgen wollte, aber es erschwerte ihren Einwohnern das Überleben umso mehr.
Auf dem Streifen wiederum herrschte eine andere Art Gesetzlosigkeit. Ayla ließ ein wachsames Auge über die Massen schweifen, ihren verletzten Arm eng an den Körper gedrückt. Sie zog ihre dünne Weste aus und wickelte sie fest um die Wunde. Diese Maßnahme würde die Blutung nicht stoppen, aber
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