Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
mithalten.“
Wie zu erwarten, begeisterte Elgrin die ungewöhnlich große, praktisch gestaltete und selbst noch in der jetzt fortgeschrittenen Dämmerung sonnig wirkende Anlage, besonders das Küchenhaus selbst. Alles wollte sie hier kennen lernen, alles, sie probierte die Wasserpumpe aus, zog jedes Schubfach auf, und von dem so gut sortierten Gewürzregal wollte sie sich am Ende gar nicht mehr trennen.
Wieder zurück in meiner Wohnstube, legte ich ihr den Speiseplan für die kommende Woche vor und erteilte ihr dann Ratschläge bezüglich des Umgangs mit den Köchen. Sie versprach mir, alles zu beherzigen, und sie werde mich nicht enttäuschen.
„Davon bin ich überzeugt“, nickte ich zuversichtlich. „Morgen Vormittag führe ich dich ein, und bereits vom Nachmittag an liegt die Leitung der Gutsküche alleine in deiner Hand, einverstanden?“
„Mir soll’s recht sein, Tora.“
Natürlich enttäuschte sie mich nicht, wie ich am nächsten Morgen in der Küche feststellte. Für mich erstaunlich fraulich und souverän führte sie meine bisherige Tätigkeit aus, ohne mir viele Fragen stellen zu müssen, weshalb die Köche sie widerstandslos als die neue Leiterin der Gutsküche akzeptierten.
Ich konnte mich unbesorgt zurückziehen.
Elgrin bekam große Augen, als ich mir am Nachmittag in meiner Wohnung die aufwendige schwarze Garderobe anlegte, die Mutter mir hatte bringen lassen. Den perlenbesetzten Seidenrock, das ebenfalls perlenbesetzte Oberteil mit den bauschigen Ärmeln, die Spitzenhandschuhe und am Ende den kleinen, dezent mit Seidenbändern verzierten Filzhut.
„Du siehst umwerfend aus“, hauchte sie, schaute dann an sich selbst hinunter und fragte sich: „Was aber soll ich anziehen?“
Darauf griff ich in meinem Wandkasten nach einem eleganten, dunkelbraunen Kostüm und hielt es ihr hin: „Bitte, das ist für diesen Anlass geeignet. Ich schenke es dir.“
„Tora“, wehrte sie ab, „solch eine Robe kann ich nicht tragen, ich bin doch kein Fräulein.“
„Aber die Küchenleiterin eines vornehmen Gutes. - So, meine Liebe, ich muss dich nun alleine lassen. Zieh dich rasch um, wir sehen uns dann im Festsaal, Herr von Kahl wird dich hinführen.“
H erzklopfend öffnete ich die Tür zu Mutters Gemach. Dietrich führte mich hinein, teilte mir mit, Mutter befinde sich bereits im Festsaal, und dann stand ich Bertrada, EM und einem gut vierzigjährigen, nervös wirkenden Herrn - wer war er? - gegenüber. Alle in Schwarz. Bertrada kam mir mit angehobenen Armen entgegen: „Meine Schwägerin Dorith, ach du! Herzlich willkommen in unserer Familie!“
„Danke, Bertrada, meine Liebe!“
Sie trat beiseite, um EM, meiner noch molliger gewordenen Schwester, Platz zu machen. Die aber rührte sich nicht vom Fleck, mit zuckenden Mundwinkeln wartete sie auf den ersten Schritt von mir. Also ging ich auf sie zu, und dann lagen wir uns in den Armen, wobei sie in Tränen zerfloss: „Dorith, meine kleine Schwester . , meine liebe, kleine, freche Schwester . . Wo - wo warst du nur all die Jahre? - Ich habe geglaubt, du - du wärst . . ermordet worden.“
Sie konnte nicht aufhören zu schluchzen, reden und fragen, auch mal kurz zu lächeln, mich zu streicheln und mich wieder und wieder an sich zu drücken. Und ich konnte nicht anders, als sie erneut in mein Herz zu schließen, meine etwas schwerfällige, liebe, anhängliche Schwester. Nachdem sie sich weitgehend beruhigt hatte, staunte sie, wie sehr ich unserer Mutter ähnele, was sie ja bereits früher festgestellt habe, doch heute sei die Ähnlichkeit geradezu frappierend.
Mein Blick fiel wieder auf den Herrn an ihrer Seite, er lächelte unsicher, und plötzlich wusste ich, es war EMs Mann, Adalbert von Albenau. Wir begrüßten uns fast förmlich, wonach EM mir stolz mitteilte, sie seien Eltern zweier Söhne und dreier Töchter, die sie aber besser zu Hause gelassen hätten.
Nun mahnte Dietrich uns zum Aufbruch.
„Ja, wir dürfen die anderen nicht länger warten lassen“, stimmte EM zu. Als ihr mein Zaudern auffiel, hängte sie sich bei mir ein und versprach mir in für mich überraschend mütterlicher Weise: „Ich bleibe an deiner Seite, Dorith, die ganze Zeit über.“ Sie stupste mich leicht an: „Hm, kleine Schwester? - Und jetzt lasst uns gemeinsam nach unten gehen.“
Danke, EM, du Bescheidene, doch Geborgenheit Verleihende. Ich schämte mich, dass ich mich ihrer all die Jahre am wenigsten hatte entsinnen können.
Im Festsaal waren etwa hundert Menschen
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