Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
war - es war einer von Johannes’ rotbestickten Knappenhandschuhen.“
„N e i n !“ , meine Stimme zerschnitt die Luft. „N e i n !“
Nur wenige Herzschläge später aber kam mir, tief aus meinem Inneren herrührend, stimmlos über die Lippen: „Doch. E r war es.“
Dietrich war meine leiser als geflüsterte Äußerung nicht entgangen, er nickte kaum merklich.
Nachdem er einige Zeit hatte verstreichen lassen setzte er mit wieder heiserer Stimme erneut an: „Besser, du weißt jetzt alles, Dorith. - Johannes ist dir unmittelbar nach unseren Turnierspielen nachgeritten. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er in diese Richtung geprescht ist und habe mich gefragt, was er dort so eilig zu erledigen hätte. Er ist erst am nächsten Morgen wieder aufgetaucht und hat ausgesehen wie ein Gespenst.“
Wie ein Gespenst. Plötzlich hatte ich deutlich vor mir, dass er ein Jahr zuvor ebenso ausgesehen hatte. Nach dem Mord an der Maid bei Erlenrode. - Johannes, du Monstrum! Du Höllenmonster! Das also waren meine quälenden Ahnungen, du warst diese Bestie. Tief in mir hatte ich es all die Jahre gewusst, war der Wahrheit erschreckend nahegekommen und hatte sie im letzten Moment stets verdrängt. Auch wenn Raimund und ich uns darüber einig gewesen waren, dass mein Misshandler meiner engen Umgebung habe angehören müssen. Sicher doch, ich hatte meinen großen charmanten Bruder gereizt, besonders dann in diesem Prinzessinnenkleid und mit meinen Spirallocken. Johannes, du Bestie!
Indessen hatte Dietrich mir Wein nachgeschenkt, und ich nahm dankbar einige Schlucke. Doch es bedurfte anschließend noch mehrerer tiefer Atemzüge, ehe ich unser Gespräch wieder aufgreifen konnte: „So grauenvoll diese Tatsache ist, Dietrich, sie erfahren zu haben, befreit mich. Weißt du, ich muss Johannes damals unterbewusst erkannt haben. Vielleicht an seinem Geruch oder seiner Stimme. Jedenfalls bin ich später stets in Panik geraten, wenn ich Spinettklänge gehört habe. Ja, und als ich im Kloster krank zu Bett lag, hat er mich in meinen Fieberträumen als Ungeheuer gejagt. Auch später hat er mich in meinen Träumen noch verfolgt, wieder und wieder. Doch durch deine Aufklärung werden diese zermalmenden Ahnungen und Albträume nun ein Ende haben.“
„Das kann ich dir nur wünschen.“
Wieder betrachtete er mich prüfend, war offensichtlich mit dem Eindruck, den ich bot, zufrieden und setzte dann zu einer neuerlichen Aufdeckung an: „Ich denke, es wird dich noch mehr entlasten, wenn du jetzt auch den Ausgang jenes Dramas erfährst: Die Suchaktion nach dir wurde noch tagelang fortgeführt. Dabei stießen die Männer dann auf Johannes’ Leichnam. Dorith, es war Vaters Dolch, der aus seiner Brust ragte. Vater hatte ihn demonstrativ stecken lassen, er hat sich damit zu seiner Tat bekannt.“
„Ou!“
Das war es, womit Vater dann nicht mehr hatte leben können. Und Mutter? Ich fragte Dietrich, in wieweit unsere arme Mutter diese Tragödie überschaut habe.
„Voll und ganz, Dorith. Vergangenen Herbst hat sie bei einem diesbezüglichen Gespräch zwischen ihr und mir geäußert, sie habe Vaters damalige Selbstjustiz zwar missbilligt, ihn aber verstehen können. An Vaters Sterbebett hat sie es dann auch ihn in subtiler Weise wissen lassen. Unsere Eltern sind versöhnt voneinander geschieden. Nur EM sind diese Zusammenhänge verschlossen geblieben.“
Wie gehofft, ließ mich all das soeben Vernommene freier werden, immer leichter und freier. Ich gab mich diesem Geschehen dankbar hin, mehrere Minuten. Bis ich erkannte, dass es vollendet war. Darauf genoss ich meinen neuen Zustand, wobei ich mir sicher wurde, fortan nie wieder um meinen Verstand bangen zu müssen.
Noch einige weitere Minuten, dann wollte Dietrich von mir erfahren, wo Mutter mich seinerzeit eigentlich gefunden habe.
„In einem Blockhaus, dort hat mich eine Frau gepflegt“, konnte ich ihm und auch mir selbst jetzt diese Frage beantworten, da ich wieder den dortigen Holzduft in die Nase und Trudes weiche Stimme ins Ohr bekam.
Darauf sagte mir Dietrich: „Also EM und mir hat Mutter stets beteuert, du seist noch am Leben, eine Mutter fühle das. Ich habe es ihr geglaubt. EM wohl nicht, denn sie hat viel und schmerzlich geweint um dich.“
Welches Leid hatte Johannes über unsere Familie gebracht. Sogar über ganz Erlenrode. Nur gut, dass die Erlenroder die tatsächliche Ursache ihres jahrelangen Elends nie erfahren hatten, ihre eigene Version war zuträglicher für sie.
Nun
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