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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nichts, denn sonst würde sie nicht spielen mit diesem Wesen. Diesen Fehler begehen sie immer, die Zauberinnen; sie bilden sich ein, absolute Gewalt über die unsichtbaren Mächte zu haben, die ihnen da zu Gebote stehen, aber in Wirklichkeit haben sie keine. Und wie steht es mit ihrem Willen, ihrem Gewissen, ihrem Ehrgeiz? Wie es sie verdirbt, dieses Wesen! Es ist unnatürlich, Petyr, und wahrlich, gefährlich ist es auch.«
    »Könnte ich ein solches Wesen herbeirufen, Roemer, wenn ich es wollte?«
    »Darauf weiß niemand eine Antwort, Petyr. Wenn du es versuchen wolltest, könntest du es vielleicht. Und vielleicht könntest du es dann nicht mehr los werden – und dies ist die alte Falle. Du würdest niemals meinen Segen haben, wenn du einen solchen Geist herauf beschwören wolltest, Petyr. Hörst du, was ich sage?«
    »Jawohl, Roemer«, sagte ich, gehorsam wie immer. Aber er wußte, daß Deborah mein Herz erobert und verdorben hatte – gerade so, wie wenn sie mich verhext hätte.
    »Dieser Frau können wir nicht mehr helfen«, sagte er. »Wende du dich anderen Dingen zu.« Ich tat mein Bestes, um diese Anweisung zu befolgen. Aber ich konnte nicht vermeiden, daß es mir zu Ohren kam, wie Deborah von manchem Edelmann umworben wurde. Ihr Reichtum war so gewaltig und solide, daß es niemandem mehr in den Sinn kam, zu fragen, woher er stamme oder ob es eine Zeit gegeben habe, in der sie noch nicht reich gewesen sei. Mit ihrer Bildung ging es geschwind voran, und Judith de Wilde und ihrem Vater war sie in reiner Treue ergeben; zu heiraten hatte sie keine Eile, derweil sie ihre zahlreichen Freier empfing.
    Nun, aber einer dieser Freier nahm sie schließlich mit sich fort!
    Ich erfuhr nie, wen sie heiratete oder wann die Hochzeit stattfand. Ich sah Deborah nur noch einmal, und da wußte ich nicht, was ich heute weiß – daß es vielleicht der letzte Abend vor ihrer Abreise war.
    Ich erwachte im Dunkeln von einem Geräusch an meinem Fenster; ich erkannte, daß es ein gleichmäßiges Klopfen an der Scheibe war, wie es von der Natur nicht hervorgebracht werden konnte, und so ging ich nachschauen, ob da etwa irgendein Lümmel über das Dach herangeklettert sei. Schließlich wohnte ich ja im obersten Stockwerk, denn im Orden war ich kaum mehr als ein Knabe und hatte somit nur ein schlichtes, wenn auch bequemes Kämmerchen.
    Das Fenster war geschlossen und unberührt, wie es sich gehörte. Aber tief unten am Kai stand eine einsame Frau in einem Gewand aus schwarzem Tuch, die offenbar zu mir heraufschaute, und als ich das Fenster öffnete, machte sie eine Gebärde mit dem Arm und bedeutete mir, ich solle herunterkommen.
    Ich wußte, es war Deborah. So schlich ich mich, um allen Fragen zu entgehen, aus dem Hause, und sie erwartete mich. Der Smaragd funkelte grün in der Dunkelheit, wie ein großes Auge an ihrem Hals. Sie führte mich durch Nebenstraßen zu ihrem Haus.
    Wie kostbar waren die Möbel dieser Dame, wie dick die Teppiche in ihrem Haus, wie fein das Parkett der Fußböden. Und vorbei an Silber und feinem Porzellan hinter glitzerndem Glas zog sie mich die Treppe hinauf zu ihrem Privatgemach und dort zu einem mit grünem Samt drapierten Bett. »Ich heirate morgen, Petyr.«
    »Warum bringst du mich dann her, Deborah?« fragte ich, doch dabei zitterte ich vor Verlangen. Als sie ihren Umhang losließ, daß er zu Boden fiel, und ich ihre vollen Brüste sah, emporgehoben vom engen Spitzenmieder ihres Kleides, da vergingen mir die Sinne vor Sehnsucht danach, sie zu berühren. Aber ich verharrte bewegungslos. Auch der Anblick ihrer fest geschnürten Taille erhitzte mich, ebenso wie der helle Hals und die Neigung der Schultern. Es gab kein Partikel ihres strotzenden Fleisches, nach dem es mich nicht gelüstete. Ich war eine tollwütige Bestie im Käfig.
    »Petyr«, sagte sie und blickte mir in die Augen, »ich weiß, daß du die Edelsteine deinem Orden geschenkt und nichts von meinem Dank für dich behalten hast. Also laß mich dir jetzt geben, was du dir auf unserer langen Reise hierher gewünscht und in deiner Sanftmut nicht genommen hast.«
    »Aber Deborah, warum tust du das?« fragte ich, entschlossen, sie nicht einen Augenblick lang zu benutzen. Denn sie war in tiefer Not, das sah ich ihren Augen an.
    »Weil ich es will, Petyr«, sagte sie unvermittelt, und sie schlang ihre Arme um mich und bedeckte mich mit Küssen. »Verlasse die Talamasca, Petyr, und komme mit mir«, sagte sie. »Sei mein Gemahl, und ich werde diesen

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