Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers
keine Antwort erhalten würde. »Ich fand einiges heraus über ein Wesen – oder Volk – das sich Cthulhu nennt, aber nichts davon war konkret genug, mir als Spur zu dienen. Ich vermute, Sie könnten mir mehr davon erzählen.«
»Vielleicht«, sagte Andara ausweichend.
H.P. zog verwundert die linke Augenbraue hoch, klaubte seine Zigarre vom Tisch und zündete sie an. »Vielleicht?«, wiederholte er. »Was soll das heißen?«
»Unterstellt, dass Sie recht hätten, H.P.«, antwortet Andara, »dann sollte Ihnen klar sein, dass allein das Wissen um diese Dinge höchst gefährlich sein kann. Glauben Sie wirklich, ich würde es so einfach preisgeben?«
»Nein«, gestand H.P., wenn auch nun mit deutlichen Zeichen der Verärgerung. »Aber ich will es auch nicht so einfach haben, Roderick. Ich biete etwas dafür. Meine Hilfe dabei, Ihren Sohn zu finden und zu retten.«
»Und wie?« Andaras Gesicht zeigte noch immer keine Spur irgendeiner Regung. H.P. hatte ihn aus der Fassung gebracht, für einen kurzen, einen sehr kurzen Moment, aber jetzt hatte er sich wieder in der Gewalt; vielleicht besser als vorher. Er wusste nichts über diesen Mann, rein gar nichts, und auch wenn ihm sein Instinkt sagte, dass er die Wahrheit sprach und sie zumindest potenziell Verbündete waren – er hatte gelernt, vorsichtig zu sein.
Vielleicht zu sehr.
H.P. seufzte. »Warum tun Sie das, Roderick?«, fragte er. »Wir besitzen beide Teile eines Puzzlespieles, die jedem Einzelnen von uns nichts nutzen. Tun wir uns doch zusammen und versuchen, unsere Probleme gemeinsam zu lösen.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Aber gut – ich gebe Ihnen einen kleinen Vorsprung: Ich besitze Informationen, aus denen mit ziemlicher Sicherheit hervorgeht, dass sich Ihr Sohn und Miss Craven an einem Ort oder in einer Stadt namens R’Lyeh befinden. Und ich glaube zumindest, Ihnen den Weg dorthin zeigen zu können.«
»Sie wissen es nicht?«
»Es gibt Dinge, die weiß man besser nicht«, antwortete H.P. mit einem schmerzhaften Lächeln. »Aber ich verfüge über gewisse Informationen, die sich als sehr wertvoll für Sie erweisen könnten, Roderick. Gegen eine gewisse Gegenleistung Ihrerseits bin ich bereit, Ihnen diese Informationen zur Verfügung zu stellen.«
Andara lachte bitter. »Wie soll diese … Gegenleistung aussehen, H.P.?«, fragte er. »Soll ich Ihre Verfolger verhexen, damit sie Sie nicht mehr erkennen? Oder reicht es vielleicht, wenn ich Sie in eine neunzehnjährige Mexikanerin verwandele, die garantiert niemand sucht?«
H.P.s Lippen pressten sich zu einem zornigen Strich zusammen. »Ihr Sarkasmus ist unangebracht, Roderick«, sagte er ärgerlich. »Aber ich sehe schon, ich muss deutlicher werden.« Er hob die Hand. »Rowlf.«
Der rothaarige Hüne schlurfte heran und legte eine abgewetzte braune Aktenmappe auf den Tisch. H.P. bedankte sich mit einem flüchtigen Kopfnicken, ließ den Verschluss aufschnappen und verharrte noch einmal mitten in der Bewegung. »Das hier ist mein einziger Trumpf in diesem Spiel, Roderick«, sagte er ernst. »Sie sehen – ich vertraue Ihnen vollkommen.«
Andara schwieg. Er fühlte sich unbehaglich, mit jedem Moment, der verging, mehr. Und er wusste selbst nicht genau, warum.
H.P. zögerte noch einmal, zuckte dann mit den Achseln und öffnete die Mappe. Ein in grobe graue Leinentücher eingeschlagenes Paket kam zum Vorschein. Behutsam legte er es vor sich auf den Tisch, zögerte wieder und begann die Tücher auseinanderzufalten, mit spitzen Fingern, als fürchte er sich davor, das zu berühren, was darunter verborgen war. Andara beugte sich neugierig vor.
Im allerersten Moment war er fast enttäuscht, denn unter den Leinentüchern befand sich zuerst einmal nur eine Schicht glänzenden dunkelgelben Ölpapiers. H.P. lächelte nervös, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und begann zu blinzeln, als ihm der Rauch seiner Zigarre in die Augen stieg und die Tränen hineintrieb. Er hustete, warf das Tuch achtlos zu Boden und löste mit spitzen Fingern den Bindfaden, der um das Ölpapier gewickelt war.
Darunter kam etwas zum Vorschein, das Andara im ersten Moment für eine Glasscherbe hielt.
Aber nur im allerersten Moment.
»Was … was ist das?«, fragte er stockend. Er fror plötzlich. Es war verrückt und völlig unmöglich und gegen jegliche Logik, aber es war, als ginge von dem, was er für eine Glasscherbe gehalten hatte, eine Woge intensiver, unangenehmer Kälte aus. Das Licht im Raum schien zu
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