Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
gehen?«, fragte DeVries ungläubig.
Necron nickte und deutete auf das offen stehende Tor. »Geht«, sagte er. »Nehmt den kümmerlichen Rest Eurer Armee und geht. Aber ich warne Euch – selbst meine Langmut hat Grenzen. Setzt Ihr noch einen Fuß auf mein Gebiet, werde ich keine Gnade mehr walten lassen. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, DeVries, töte ich Euch.«
»Es tut mir Leid«, sagte ich leise. »Ich wollte nicht, dass es so weit kommt, Temples.« Ich schüttelte bedauernd den Kopf, streifte Curds Hände ab und trat Temples und der alten Frau einen Schritt entgegen.
Temples’ Augen weiteten sich ungläubig.
»Was … bedeutet das?«, keuchte er. »Curd, was … was tust du?«
»Du hättest auf ihn hören sollen, Lowry«, sagte Ayres leise. Sie wirkte wie jemand, der genau das erlebt, worauf er schon lange wartete. »Er wollte dir eine Chance geben.«
»Mir? Aber wieso … was … warum lässt Curd …«, stammelte Temples. Dann begriff er und der Schrecken in seinen Augen machte plötzlichem Erkennen Platz.
»Sie haben das gewollt«, keuchte er. »Sie … Sie haben sich absichtlich gefangen nehmen lassen, Craven!«
Ich nickte. »Ja. Ich habe gehofft, Sie zur Vernunft bringen zu können, Lowry. Ich musste wissen, was hier vorgeht.« Curd stand wie gelähmt hinter mir. Er hatte nicht einmal gemerkt, wie ich seinen Willen ausgeschaltet und mir untenan gemacht hatte.
»Ich nehme es Ihnen nicht übel, Lowry«, fuhr ich fort. »Nicht nach dem, was ich gesehen habe.«
»Sie Teufel!«, stöhnte Temples. »Sie … Sie verdammtes Ungeheuer. Sie sind genau wie Ihr Vater, Craven. Sie sind -«
»Ich werde Ihnen trotzdem helfen, Lowry«, unterbrach ich. »Jedenfalls werde ich es versuchen.«
Aber Temples schien meine Worte gar nicht zu hören. In seinen weit aufgerissenen, starren Augen glaubte ich Wahnsinn flackern zu sehen. Plötzlich schrie er auf, krümmte sich wie unter einem Hieb – und fuhr mit einer unglaublich schnellen Bewegung herum. »Wulf!«, brüllte er. »Pack ihn!«
Curd und der Wolfmann reagierten im gleichen Augenblick, aber der Riese war um eine Winzigkeit schneller. Wolf stieß ein tierisches Geheul aus und stürzte mit drohend vorgereckten Klauen auf mich zu, aber Curd ergriff ihn wie ein Spielzeug beim Kragen, riss ihn mitten in der Bewegung herum und hob ihn ohne sichtliche Anstrengung vom Boden hoch. Er bemühte sich, ihm nicht wehzutun, aber seine riesigen Hände fesselten Wolfs Arme wie Stahlseile an den Körper.
»Geben Sie auf, Lowry«, sagte ich. »Ich will Sie nicht auch noch zwingen müssen. Glauben Sie mir – es ist nicht schön, nicht mehr Herr seines eigenen Willens zu sein.«
Temples’ Augen schienen vor Hass zu brennen. »Niemals!«, keuchte er. »Sie kriegen mich nicht. Eher bringe ich mich um.«
»Das ist nicht nötig, Lowry«, sagte Ayres leise.
In ihrer Stimme war ein Klang, der mich für einen Moment erstarren ließ. Sie sprach noch immer ruhig, beinahe freundlich, aber das vage Gefühl von Bedrohung, das ich die ganze Zeit über verspürt zu haben glaubte, steigerte sich plötzlich zu einem schrillen Alarmläuten.
Mit einer abrupten Bewegung fuhr ich herum, starrte sie an – und prallte mit einem Aufschrei zurück.
Die alte Frau hatte sich vollkommen verändert. Ihr Gesicht, das noch vor Augenblicken eine Maske aus Runzeln und tief eingegrabenen Falten gewesen war, begann sich zu glätten, als liefe die Zeit auf bizarre Weise rückwärts. Innerhalb von Sekunden wandelte sie sich von einer hundertjährigen Greisin in eine dunkelhaarige, schlanke Frau.
Aber die Veränderung ging weiter. Plötzlich begann sich ihr Gesicht zu verzerren, wurde zu einer Grimasse mit flammenden Dämonenaugen und gebogenen, blutig schimmernden Reißzähnen, die Hände krümmten sich zu Krallen und über ihre plötzlich gesprungenen Lippen kam ein grässliches Hohngelächter.
»Genug des bösen Spieles, Craven«, kicherte sie. »Ich hoffe, Sie haben Ihren Spaß gehabt. Aber jetzt ist meine Geduld erschöpft.«
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Curd den Wolfmann losließ und hinter mich trat, versuchte verzweifelt, ihn zum Stehenbleiben zu zwingen, und spürte, wie meine Kräfte gegen eine unsichtbare Mauer prallten.
»Das ist sinnlos, Craven«, kicherte Ayres – oder das, in was sich die Alte verwandelt hatte. »Deine Kräfte sind den meinen nicht gewachsen.« Ihr Gesicht war vollends zu einer Teufelsfratze geworden und als ich ihrem Blick begegnete, hatte ich das
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