Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Schmerz überzeugte ihn davon, dass er wieder vollständig unter den Lebenden weilte. Mühsam schluckte er und verzog das Gesicht.
Die junge Frau bückte sich und nahm eine dampfende Schale auf. Ach ja, sie war das Mädchen mit der Brühe! Offensichtlich war sie entschlossen, sie ihm einzuflößen. Der Duft, der aus dem Napf aufstieg, weckte seinen Appetit, aber schon die Vorstellung, etwas herunterzuschlucken, verschlug ihm jede Lust, irgendetwas zu sich zu nehmen.
»Ihr müsst essen«, sagte die junge Frau leise.
Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Sie beharrte weiter.
»Ihr müsst etwas zu Euch nehmen, Monsieur Campbell.«
Sie erstickte fast an den letzten Worten, mit denen sie sich verraten hatte. Dabei hatte der junge Mann genau gesehen, wie sie seinen Sporran durchwühlt hatte. Er hatte auch ihre teure Kleidung bemerkt und ihre Haltung und Miene, die darauf hinwiesen, dass sie einer guten Familie entstammte. Zweifellos gehörte sie zu den Damen der höheren Gesellschaft, die mildtätige Werke verrichteten, um sich die Langeweile zu vertreiben. Doch er hatte sie gewähren lassen und lieber den angenehmen Anblick genossen, statt seine mageren Besitztümer zu verteidigen. Sie war so hübsch und hatte so schöne Augen … Sie erinnerten ihn an andere Augen, die von einem strahlenden, mit blassem Gold durchsetzten Grün gewesen waren, der Farbe seiner heimatlichen Hügel. Kirsty …
Die junge Frau kam ein wenig näher und setzte ihm die Schale an die Lippen. Ein zarter Duft umschwebte sie …
»Kommt. Versucht es wenigstens.«
Sie hatte eine Hand in seinen Nacken gelegt und hob jetzt seinen Kopf an. Bei der Bewegung flammte der Schmerz in seinem Hals erneut auf. Doch er war so bezaubert von ihrem Gesicht und ihrer flehenden Miene, dass er sich ihrer Bitte beugte. Die heiße Flüssigkeit lief in seinen Mund. Er schluckte und wäre fast erstickt. Ein Teil der Brühe lief ihm übers Kinn. Aber er trank ergeben weiter.
Als die Schale leer war, setzte Isabelle sie wieder auf den Boden. Eine verlegene Stimmung legte sich über die beiden. Alexander hatte geglaubt, die junge Frau würde sein Lager verlassen, sobald sie ihn gefüttert hatte. Aber sie blieb neben ihm sitzen und sah ihn aus ihren großen grünen Augen an. Plötzlich erinnerte sie ihn an ein Gemälde, das die Jungfrau Maria darstellte und das er einmal bewundert hatte.
»Ich möchte Euch danken, Monsieur«, sagte sie nach langem Schweigen. »Wahrscheinlich versteht Ihr mich nicht, aber … Ich spreche Eure Sprache nicht, daher …«
Sie sah auf ihre Hände hinunter, die flach auf ihren Knien lagen. Sie dankte ihm? Aber wofür? Er runzelte die Stirn.
»Mein kleiner Bruder, wisst Ihr noch? Ihr habt ihm das Leben gerettet.«
Ihr Bruder? Wovon redete das Mädchen? Erneut stand ihm das Bild des Knaben vor Augen, der zu seinen Füßen lag, nachdem er ihm die Kehle aufgeschnitten hatte, und er biss die Zähne zusammen. Sie fuhr mit ihrer Lobrede fort und beschrieb seine Tat, offenbar in dem Glauben, dass er kein Wort davon verstand.
»Wenn Ihr ihm nicht nachgerannt wäret, hätte Euer Landsmann ihn gewiss getötet. Wir sind Euch schrecklich dankbar … zumal Ihr … nicht verpflichtet gewesen wäret … ich meine … Wir sind Kanadier und Ihr… Engländer. Versteht Ihr?«
Betrübt sah sie ihn an. Er nickte matt.
»Ihr könnt mich verstehen?«
»Aye …«
Das Wort kam eher wie ein Pfeifen heraus.
»Dann sprecht Ihr Französisch, Monsieur?«
»Aye … Yes … «
Sie schenkte ihm ein so strahlendes Lächeln, wie er es nicht mehr gesehen hatte seit… Kirsty. Zunächst schmerzte ihn diese Erkenntnis, doch dann spürte er, wie eine sanfte Wärme in seinem Herzen aufstieg. Er lächelte ihr zu, worauf sie errötete.
»Hier, bitte schön«, sagte sie und hielt ihm etwas entgegen. »Ich glaube, das hier gehört Euch.«
Sie gab ihm seinen Dolch zurück. Einen Moment lang zog er die Brauen zusammen und begriff nicht. Und dann standen ihm mit einem Mal wieder die Ereignisse vom Tag der Schlacht vor Augen, so plötzlich und grell wie ein Blitz, der in einen Baum einschlägt. Der gefangene Fähnrich, Campbell, der Knabe … Die Waffe war sorgfältig gereinigt worden. Er schlug den Blick zu ihr auf. Jetzt erinnerte er sich, wo er diese grünen, von braunen Flecken gesprenkelten Augen zuerst gesehen hatte.
»Vielen… Dank«, brachte er heraus.
Die Worte gingen ihm nicht recht über die Lippen. Es war lange her, dass er bei Großvater
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