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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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starken Geist besitzt. Wenn Ihr Euch auch als guter Jäger und Liebhaber erweist, wird Godasiyo glücklich sein und Euch lange behalten.«
    »Und wie kommt es, dass Ihr, Tsorihia, ihre Adoptivtochter seid?«
    Alexander hatte die rechte Hand an ihre gerundete Wange gelegt und streichelte sie jetzt sanft mit dem Daumen, dessen Nagel nachzuwachsen begann. Die junge Frau senkte den Kopf.
    »Die Seneca und die Huronen haben sich noch nie gut verstanden. Als ich fünf Jahre alt war, haben die Seneca mein Dorf angegriffen und mich entführt. Godasiyo, die kurz zuvor eine Tochter verloren hatte, hat mich gern angenommen.«
    »Seid Ihr denn zufrieden hier? Habt Ihr niemals den Wunsch, nach Hause zurückzukehren?«, fragte Alexander nach kurzem Schweigen.
    Die Züge der jungen Frau verhärteten sich.
    »Godasiyo und ihre Enkelin Wennita sind jetzt meine Familie.«
    »Aber diese Leute haben Euch Eurer richtigen Familie weggenommen ! Ich nehme doch an, dass Ihr einen Vater und eine Mutter hattet.«
    Alexander begriff nicht, wie die Huronin dachte. Einen Moment lang betrachtete Tsorihia nachdenklich das Haar, durch das sie mit den Fingern fuhr.
    »Vielleicht möchte ich meine Familie eines Tages wiedersehen«, flüsterte sie mit einem nervösen Blick zu der Gruppe der Frauen, denn sie wusste genau, dass die Witwe sie beobachtete. »Aber ich muss mich mit dem abfinden, was ich nicht ändern kann.«
    Erneut betrachtete sie Alexander aus ihren dunklen Augen, und ihre Finger kamen auf der Wunde an seinem Hinterkopf, die sich inzwischen geschlossen hatte, zur Ruhe. Mit diesem Tag wusste Alexander, dass er in Tsorihia eine Verbündete gefunden hatte.
     
    Langsam erholte sich der weiße Mann von seinen Verletzungen, aber er schlief immer noch schlecht. Tsorihia tröstete und beruhigte ihn. Eines Tages schenkte sie ihm einen schönen Gegenstand, den sie einen Traumfänger nannte. Sie erklärte ihm, er müsse ihn über seinem Lager aufhängen. »Träume sind Botschaften, die uns böse oder gute Geister schicken, um unsere Seele zu nähren oder sie zu quälen. Manchmal muss man sie auslesen. Dieser Traumfänger wird Euch dabei helfen. Er fängt bei Nacht Eure bösen Träume ein, und am Morgen werden sie von den ersten Sonnenstrahlen ergriffen und verbrannt.«
    Alexander hätte nicht gewusst, was er ohne die junge Huronin angefangen hätte. Sie lehrte ihn das Leben der Irokesen, eine Aufgabe, die zuerst Godasiyo übernommen und dann mehr und mehr vernachlässigt hatte. Tsorihia dagegen widmete sich ihr mit großem Vergnügen. Die Witwe war verärgert über ihren neuen Gefährten, weil er noch nicht ganz wiederhergestellt war und daher nicht mit den anderen Männern auf die Jagd gehen konnte. Im Moment musste sie sich mit den Brocken zufriedengeben, die für sie abfielen. »Godasiyos Mann war ein guter Jäger. Diese Frau war es gewöhnt, zu geben und nicht von anderen zu empfangen.« Doch Alexander machte sich darüber kaum Gedanken und nutzte die erzwungene Ruhe, um sich wieder seiner alten Leidenschaft, dem Schnitzen, zu widmen.
    Ruhig saß er in einer Ecke, beschäftigte sich und beobachtete dabei das irokesische Gemeinwesen, das ihn umgab. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass die Frauen dort, verglichen mit den weißen Frauen in ihrer Gesellschaft, einen wichtigen Platz einnahmen. Sie waren buchstäblich das Fundament ihrer Gemeinschaft. Genau wie bei den Völkern keltischen Ursprungs, denen er entstammte, unterteilten sich die Irokesen in Stämme, Phratrien und Clans.
    Tsorihia erklärte ihm, wie sich im Großen und Ganzen die Regierung der Irokesen gestaltete. Im Großen Rat saßen zwar nur die Männer, doch die Frauen, die man Clanmütter nannte, ernannten die Sachems – die Friedenshäuptlinge – und die jungen Häuptlinge, die ihm angehörten, oder setzten sie wieder ab. Sie besaßen also auf eine gewisse Weise ein stilles Wahlrecht, das ihnen allerhand Macht verlieh.
    Die Tage vergingen, und das Leben verlief angenehm und ruhig. Doch Alexander empfand dieses Netz, das die Zeit um ihn wob, als Bedrohung, denn er wollte sich auf keinen Fall assimilieren lassen. Daher schmiedete er Fluchtpläne, die sich leider einer nach dem anderen als undurchführbar herausstellten. Aber eines Tages, ganz bestimmt, würde die Gelegenheit kommen …
    Er hatte bemerkt, dass die Gefühle, die die junge Frau für ihn hegte, weit über eine einfache Freundschaft hinausgingen, und wollte sie daher um ihren Beistand bitten. Außerdem musste er

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