Highschool der Vampire
ich.
»Sehr viel größer.« Justin konzentrierte sich ganz auf seine Bücher und wich meinem Blick aus. »Darum zie hen viele von uns Wölfe vor. Es ist bequemer.«
»Ja, ist ja irgendwie auch klar«, sagte ich. Ich stellte mir Justin vor, wie er im Licht des Vollmonds über New Sodom flatterte. »Und was ziehst du vor?«
»Nun, es braucht eine Menge Übung«, meinte Justin.
»Und Talent. Nicht alle von uns können es.«
»Sehr schade.«
Justin zuckte mit den Achseln. »Ist nicht so wich tig. Früher war die Verwandlung in einen Wolf oder in eine Riesenfledermaus eine gute Möglichkeit, unse ren Feinden zu entkommen. Heutzutage brauchen wir es kaum noch. Mein Vater war wirklich gut darin. Er hatte manchmal eine Flügelspannweite von vierzehn Metern.«
»Toll!«
»Was wolltest du mich eigentlich fragen?«, sagte Justin.
»Ich möchte wissen, was ein Stoker ist.«
Justin nickte. »Hat dich jemand so genannt?«
»Praktisch jeder.«
»Es ist eine Beleidigung«, meinte Justin seufzend. »Ver such, nicht daran zu denken. Es stimmt jedenfalls nicht.
Es ist bloß, weil du mir am Mittwoch geholfen hast.«
»Aber was bedeutet es?«
»Hast du je von einem Buch mit dem Titel Dracula ge hört?«, fragte Justin.
»Klar. Hat doch jeder«, gab ich zur Antwort.
»Na schön, Dracula wurde von einem Mann geschrie ben, der Bram Stoker hieß«, sagte Justin. »Er traf ein paar Jenti auf seinen Reisen durch Europa. U n d durch Ame rika. Er kam sechsmal hierher. Einer meiner Großväter hat mit ihm gesprochen. Er schien wirklich nett und freundlich zu sein. Einige von uns erzählten ihm ein paar Dinge darüber, was es bedeutet, ein Jenti zu sein. Er nahm alles, was wir ihm erzählten, und schrieb dieses verdammte Buch. Hat alles verdreht, was wir gesagt ha ben. Seit damals wird immer irgendjemand sagen, dass ein Gadjo, der sich mit einem Jenti anfreundet, ein Sto ker ist. Es gibt nur eine Bezeichnung, die noch schlim mer ist.«
»Und die wäre?«
»Ein Bram. Es bedeutet, du hast den Jenti in irgendei ner Weise verletzt. Wenn das passiert, ist das ganz, ganz schlimm. Sollte das Gerücht umgehen, dass du ein Bram bist, wird dich irgendjemand dafür drankriegen.«
»Und wenn du >drankriegen< sagst —«, begann ich.
»Meine ich das, was du denkst, dass ich meine«, voll endete Justin. »Jedenfalls ist praktisch alles an Dracula zu mindest halb gelogen. U n d es gibt eine Menge Sachen, die er hineinnehmen hätte können und ausgelassen hat alles, was positiv an uns ist.«
»Und wer hat Stoker selbst drangekriegt?«, fragte ich.
»Niemand«, antwortete Justin. »Viele von uns wollten es, aber Dracula hatte ihn gezeichnet und der sagte Nein.
Sagte, es sei sein Fehler gewesen, Stoker überhaupt zu vertrauen, und dass es am besten wäre, die ganze Sache einfach einschlafen zu lassen. Du siehst ja, wie toll das ge klappt hat.«
»Moment mal«, sagte ich. »Willst du damit sagen, dass es Dracula wirklich gegeben hat?«
Justin warf mir einen seltsamen Blick zu. »Na klar.«
»Du denkst also, ich bin ein Stoker?«, fragte ich.
»Nö. Ich denke, du gehörst zu den Leuten«, antwor tete Justin.
»Und das heißt?«
»Leute sind Gadje, denen man trauen kann«, erwiderte Justin.
Plötzlich entschied ich, dass ich Justin sehr gernhatte.
»Wann hast du aus?«, fragte ich.
Justin sah auf seine Uhr. »In fünfzehn Minuten.«
»Möchtest du nachher noch abhängen?«
»Klar«, sagte Justin und schenkte mir ein schwaches, kleines Lächeln.
»Ich seh mich hier mal um«, sagte ich. »Bis gleich dann.«
»Okay«, erwiderte Justin.
Die Bibliothek war wie alles andere an der Vlad Dra cul — prächtig. Bücherregale, die vom Fußboden bis an die Decke reichten, überall Computer, Lehnstühle, große Tische, Pulte. Das Licht der Lampen war warm, die Teppiche dick. Ich konnte meine eigenen Schritte nicht hören.
Uber den Nischen an den Wänden waren große Schilder mit Goldbuchstaben angebracht: G E S C H I C H
TE, G E O L O G I E , A M E R I K A N I S C H E G E S C H I C H
TE. Dann kam ich zum letzten: D R A C U L A .
Jedes Buch dort war eine Ausgabe von Dracula. Regal um Regal in Englisch, aber es gab auch einen Bereich mit Ausgaben in anderen Sprachen. In jeder anderen Sprache, wie es schien.
»Finden Sie alles, was Sie brauchen?«, fragte Ms Shad well, die hinter mir aufgetaucht war.
»Oh, ich sehe mich nur um«, antwortete ich. »Warum haben Sie hier so viele Exemplare von diesem Buch?«
»Es gehört zur
Weitere Kostenlose Bücher