Hilfe ich bin berühmt
herumführen.«
Inzwischen schien Dolly Gefallen an diesem Abenteuer zu finden. »Glaubt, sie müßte sich das Futter jetzt für die letzten zehn Jahre verdienen«, grinste Alf und übergab Tessa die Zügel.
Es war herrlich, einen Schlitten zu fahren. Tessa fühlte sich wie all die Pionierfrauen, von denen sie gelesen hatte. Sie war ganz hingerissen und fuhr öfter als bisher zu der Ecke, wenn dort Vorräte oder Post abzuholen waren. Sara traf sie einmal auf der Straße und war äußerst belustigt. »Das nächste Mal muß ich einfach meinen Fotoapparat holen. Das ist zu schön! Die Farmerzeitungen würden sich darauf stürzen.«
Zumindest würde sie keiner der früheren Künstlerfreunde wiedererkennen, dachte Tessa. Wenn sie jemals in die Stadt zurückkehren sollte, was Gott verhüten mochte, würde sie von diesem Foto nicht verfolgt werden, wie von dem anderen, nicht ständig überfallen werden mit dieser ärgerlichen Frage: >Kennen wir uns nicht?< Wer würde schon einer sonderbar gekleideten Frau Beachtung schenken, die auf einem schlammigen Weg einen uralten Schlitten fuhr?
6
Dolly und ihr Schlitten machten das Leben für Tessa leichter: Sie brauchte sich mit ihrem kleinen Auto nicht mehr durch den Schlamm zu kämpfen; sie brauchte nicht mehr hin und her zu reiten und schwere Sachen zu tragen. Tessa und die alte Stute gaben ein nützliches, wenn auch wenig schönes Paar ab. Dolly lebte jetzt in der Koppel der Farm, wurde mit Brot und viel Heu hochgepäppelt und gewöhnte sich so an die Hand, die sie fütterte, daß sie direkt darauf wartete, angeschirrt und vor den Schlitten gespannt zu werden. Tessa war nun schon abgehärtet gegen die Belustigung, die sie hervorrief, wenn sie zufällig jemanden traf, und sie fuhr fröhlich in ihren uneleganten Kleidern durch den Schlamm.
An einem nassen Nachmittag im frühen Juli malte sie wieder einmal, als Jake anrief, um ihr zu sagen, daß er die von ihr bestellten Waren geschickt habe und daß Friday um ungefähr 4.30 Uhr an der Ecke sein würde. Das Dach leckte, und Jake machte sich Sorgen, daß die Lebensmittel naß werden könnten.
Tessa ließ ihre Staffelei sofort im Stich, denn es war schon nach 4.30 Uhr. Sie machte sich nicht mehr die Mühe, ihre Farben und die vielen Skizzen, die sie auf dem Bett in dem freien Zimmer ausgebreitet hatte, aufzuräumen, und sie vergaß auch, die Türe abzuschließen, denn sie wollte die Waren unbedingt vor dem strömenden Regen retten. Sie schirrte Dolly an und eilte dann zum Haus zurück, um sich einen trockenen Mantel zu holen und einen Südwester, den sie über das Kopftuch stülpen wollte.
Der Südwester war verschwunden, wie das die Dinge bei Tessa oft taten. »Er kann nicht weit sein«, murmelte sie und lachte dann über die uralte Entschuldigung der Unordentlichen. Nach ein paar Minuten gab sie die Suche auf und wollte ihren alten Filzhut holen, erinnerte sich aber dann, daß sie ihn in dem Heuschuppen in der dritten Koppel vergessen hatte. Was konnte sie als Kopfbedeckung benutzen? Ein zweites Kopftuch würde sofort naß sein, und ihre alten Hüte hatte sie alle weggeworfen, als sie die Stadt verlassen hatte.
In einem Augenblick der Verzweiflung sah sie einen Kaffeewärmer, den sie nie gebraucht hatte. Es war eine sehr kunstvolle Handarbeit in blaßblauer und rosa Wolle mit vielen Bommeln als Umrandung. Grinsend setzte sie ihn sich auf den Kopf. Zumindest würde er ihr Haar trocken halten, und sie würde ja niemandem begegnen. Sie lachte, als sie sich selbst im Spiegel sah, eine kleine Gestalt in Ölzeug, wozu die lustigen Bommeln über ihrer Nase überhaupt nicht paßten. Aber was machte es schon? Das war das beste am Hinterland. Sara, die sich an diesem Anblick ergötzt hätte, war für den ganzen Tag in die Stadt gefahren; Alf war sicher in seiner Hütte mit Klavier und Kater beschäftigt, und Don inspizierte das Vieh im hinteren Teil der Farm und würde erst bei Anbruch der Dunkelheit zurückkommen. Sie schnappte sich einen alten Regenschirm. Wenn sie zufällig irgend jemanden sehen würde, konnte sie den Kaffeewärmer abnehmen und sich mit dem Schirm schützen.
Aber sogar Dolly hatte ihre Vorurteile, und dazu gehörte der Schirm. Tessa öffnete das Gatter und spannte den Regenschirm auf. Dolly drehte sich um, sah ihn, schüttelte sich heftig und zeigte Anwandlungen, über den Zaun zu springen. Erst als der Schirm im Hof blieb, willigte sie ein, den Schlitten zu ziehen. Tessa seufzte und gab nach; sie
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