Hinter Geschlossenen Lidern
denken. Dennoch musste ich jetzt erst einmal wissen, was mit Clive war. Ich wählte die Nummer seines Büros.
Robin hob schon nach dem ersten Klingeln ab.
„Clive?“, meldete sie sich atemlos.
„Nein, hier ist Lee.“ Ich rechnete schon damit, dass Clive ihr einen Maulkorb verpasst hatte, aber nach der ersten Enttäuschung war sie geradezu erleichtert, dass ich mich meldete.
“Weißt du, was da los ist?”, fragte sie und ich hörte, wie aufgewühlt sie war. “Er hat mich heute Morgen um sechs Uhr aus dem Bett geklingelt und mich beauftragt, die Firma zu verkaufen. Ich soll das erste ernsthafte Angebot annehmen. No Limits – es ist ihm völlig egal, zu welchem Preis. Über die Wohnung musste ich eine Schenkungsurkunde auf dich ausstellen. Sie gehört ab sofort dir.”
“Was?”, rief ich entsetzt.
“Ja, stell dir das vor! Als ich ins Büro kam, lag eine Vollmacht für mich auf dem Schreibtisch mit der Anweisung, alles für ihn zu unterzeichnen und ihm das Geld für die Firma auf sein Konto auf den Bahamas zu überweisen. Seitdem meldet er sich nicht mehr. Ich habe weder eine Adresse noch eine Telefonnummer.”
Ich stöhnte gequält. Er würde also nicht wiederkommen. Er war so spurlos verschwunden, wie er es mir angekündigt hatte.
“Dann lasse ich sein Handy orten. Ich muss wissen, wo er ist.”
“Das hat wenig Sinn. Ich soll den Vertrag kündigen. Er hat bestimmt längst eine Prepaidkarte. Was ist da passiert, Lee? Habt ihr euch zerstritten?” Ihre Stimme klang langsam ziemlich alarmiert. “Glaubst du er tut sich etwas an?”
Ihre Frage zuckte mir wie ein Blitz durch meine Eingeweide. Mir ging auf, dass Clive sich ihr anvertraut haben musste. Sie wusste von seinen Gefühlen für mich. Wenn er sich meinetwegen umbrachte, wollte auch ich nicht mehr leben, nicht mit dieser Schuld auf dem Gewissen.
“Wir müssen ihn finden. Kannst du in seinen Unterlagen nachsehen, ob er irgendwo noch andere Immobilien besitzt?”
“Gute Idee.” Sie klang erleichtert. Ich glaube, sie war froh, in dieser Situation überhaupt etwas tun zu können. “Ich rufe dich gleich wieder an.”
Der Polizei konnte ich nicht damit kommen, aber vielleicht wusste Stone, was zu tun war. Ich rief ihn an. Er hatte Braden inzwischen gefunden, der das Handy jedoch nicht mehr bei sich trug. Ich fragte ihn nicht, wie er das festgestellt hatte, ohne Braden eins über den Schädel zu geben. Insgeheim hoffte ich, dass es genauso abgelaufen war. Dann berichtete ich ihm von Clive.
“Ein Bankkonto auf den Bahamas ... das wird nicht leicht. Kreditkarten, denen man folgen kann, sind immer unsere wichtigsten Spuren.”
“Tun Sie Ihr möglichstes. Setzen Sie Ihre besten Männer darauf an, arbeiten Sie mit anderen Detekteien zusammen. Ist mir egal, was es kostet. Vielleicht finden wir noch etwas in seinen Unterlagen, dann rufe ich Sie wieder an.”
Ich beschrieb ihm Clive, nannte ihm Marke, Farbe und Kennzeichen seines neuen Porsche Panamera, mit dem er vielleicht noch unterwegs war und legte dann niedergeschlagen auf.
Alles um mich herum hatte sich verdunkelt und die Zukunft war schwarz und düster geworden wie die Hölle.
Schließlich kam mein Vater herein, nickte mir aufgeräumt zu und winkte mir, ihm in sein Büro zu folgen.
“Schön, dass du da bist, Lee. Ich habe gute Neuigkeiten. Wir können jetzt beweisen, dass das Testament gefälscht ist.”
Ich war erleichtert und wusste doch gleichzeitig, ein wie geringer Teil meiner Probleme sich da gerade aufzulösen begann. Völlig haltlos brach ich in ein hysterisches Gelächter aus.
Mein Vater sah mich an, als wüchsen mir ein paar grüne Marsmännchen-Tentakel aus der Stirn.
“Geht es dir nicht gut, Junge?”
Ich sah seine Besorgnis, sah Ms. Digsby hastig in der Tür auftauchen und lachte noch mehr.
“Ich habe Scotts Handy verloren!”, stieß ich hervor. Ms. Digsby schüttelte unwillig den Kopf.
“Du weißt doch, dass ich sofort eine Kopie ziehe von jedem Dokument, das uns erreicht, auch von den digitalen. Wenn das alles ist, worüber du dich aufregst ...”
“Was?” Die patente Ms. Digsby! Ich hätte sie küssen mögen. All die Aufregung völlig vergebens. Ich kreischte auf vor Lachen und auf einmal wurde mir schwarz vor Augen. Meine Synapsen brannten durch wie ein überlasteter Sicherungskasten. Ich sackte im Sessel zusammen und das letzte, was ich sah, waren die sorgenvollen Augen meines Vaters, der sich über mich beugte.
“Du erzählst mir jetzt alles von Anfang an und dann sehen wir
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