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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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»Wenn es stimmt, was die alte Dame da oben sagt, dann gehört ihm diese Burg und alles Land, was man sehen kann, wenn man auf einen der Ecktürme steigt und sich einmal im Kreis dreht. Und ein ordentlicher Brocken der Normandie obendrein. Sie behauptet, sein Name sei Alan de Lisieux.«
    »Lisieux?«, wiederholte Regy noch eine Spur fassungsloser. »Der Kreuzfahrer ?«
    »Nun, wenn wir irgendetwas über Losian wussten, dann das«, gab King Edmund ungeduldig zurück.
    »Aber der Kerl, den ich meine, wäre heute ein Tattergreis«, widersprach der Normanne.
    »Dann ist Losian gewiss sein Sohn oder Enkel.« King Edmund klang in geradezu absurder Weise stolz.
    Simon stemmte die Hände in die Seiten. »Raus damit. Woher wusstest du’s? Und wenn du es wusstest, warum hast du ihm nie ein Sterbenswort gesagt? Du hättest ihn verdammt noch mal vorwarnen können!«
    »Nimm dich in Acht, Simon«, knurrte King Edmund.
    »Ich fluche so viel, wie’s mir passt!«, brauste der Junge auf. »Es war ein furchtbarer Schock für ihn! Er ist … vollkommen außer sich. Nennst du das christliche Nächstenliebe, du …«
    »Ich habe es natürlich nicht gewusst, mein Sohn«, fiel Edmund ihm beschwichtigend ins Wort. »Aber sobald er englisch spricht, hört man, dass er aus dieser Gegend stammt. Ich habe ihm das nie gesagt, weil ich keine falschen Hoffnungen in ihm wecken wollte. Ich hab mir nur überlegt, es könne nicht schaden, an jeder Burg und jedem normannischen Gut in East Anglia Halt zu machen, an denen wir vorbeikommen.«
    »Also deswegen hast du uns hierhergeführt«, schloss Wulfric.
    Edmund nickte mit einem milden Lächeln. »Auch«, räumte er ein.
    Einen Moment schwiegen die Gefährten ratlos. Dann machte Simon eine auffordernde Geste. »Kommt. Sie hat uns in die Halle gebeten. Ich hab so ein Gefühl, dass Losian froh sein wird, wenn wir kommen. Das ist alles ein bisschen zu viel für ihn.«
    Bereitwillig standen sie vom Boden auf, und Henry war der Erste, der ins Freie trat. »Nun, ihn mag sein Name erschrecken«, bemerkte er. »Mir gefällt er außerordentlich gut.«
    »Treue Anhänger deiner angeblichen Mutter, die Lisieux’, wie?«, fragte Simon trocken.
    »Und ein bisschen mehr als das«, erwiderte Henry geheimnisvoll. »Wie steht es denn eigentlich mit dir, Simon de Clare? Mit wem hältst du es?«
    Simon sah ihn von der Seite an und grinste. »König Stephen.«
    Henry brummte. »Na ja. Kein Mensch ist vollkommen.«
    Hastig überquerten sie den windgepeitschten Innenhof und stiegen hintereinander die Treppe zum Burgturm hinauf. Simon führte sie in die Halle, und die Wanderer sahen sich mit unterschiedlichen Abstufungen der Ehrfurcht und des Staunens um. Scheu blieben sie vor der hohen Tafel stehen. Allein Grendel erklomm bedenkenlos die flache Stufe zur Estrade, um seinen greisen Artgenossen am Kamin zu begrüßen, aber Wulfric befahl ihn mit einem gedämpften Pfiff zurück an seine Seite.
    Die alte Burgherrin, die sich Matilda of Helmsby nannte, saß in einem reich geschnitzten Sessel an der hohen Tafel und blickte den Wanderern mit unbewegter Miene entgegen. Losian lehnte hinter ihr links vom Kamin an der Wand, hatte die Arme verschränkt und hielt den Kopf wie zum Angriff gesenkt.
    »Hier sind unsere Gefährten, Madame«, sagte Simon zaghaft. Ihre ausdruckslose Miene bereitete ihm Unbehagen, aber er sprach tapfer weiter. »King Edmund, unser geistlicher Beistand. Luke, Wulfric und Godric, Oswald und Reginald de Warenne. Und erst vor zwei Tagen stieß dieser Mann zu unserer Gemeinschaft, der sagt, sein Name sei …«
    »Henry Plantagenet«, fiel Matilda of Helmsby ihm ins Wort. Ihr Tonfall war unverändert ruhig, aber zutiefst erstaunt. »Die Wunder dieses Tages nehmen kein Ende.«
    Henry trat entschlossen zu ihr und verneigte sich. Ohne alle Scheu. Weltmännisch, dachte Simon neiderfüllt. Und Henry wagte es gar, der strengen Burgherrin ein charmantes Draufgängergrinsen zu offerieren. »Woher kennt Ihr mich, Madame?«
    »Ich kenne deine Mutter, und du bist ihr Ebenbild. Außerdem gibt es ein Gerücht, du seiest nach England gekommen.«
    »Er ist es wirklich?«, fragte Losian, so verdutzt, dass er den Tumult in seinem Innern anscheinend für den Moment vergessen hatte. »Der Sohn dieser Kaiserin, die Königin von England werden will?«
    Matilda of Helmsby warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Das ist er in der Tat.«
    Alle Gefährten starrten Henry an, der ihnen verstohlen zuzwinkerte. »Ich vergebe euch eure

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