HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
dich getan habe …“
„Dass du gestern bei den Ritterspielen meinen Bräutigam geküsst hast, entsprang auch nur deiner Fürsorge für mich, nicht wahr?“
„Glaubst du wirklich, dass ich auf seine Aufmerksamkeiten aus bin?“ Grace lachte spöttisch.
„Immerhin tust du nichts, um ihn davon abzuhalten.“
„Du nimmst anscheinend an, dass mir eine Wahl bliebe!“ Wieder lachte Grace demonstrativ. „Meine Treue scheint mir hier keine Freunde zu schaffen. Ein Wort von ihm würde mich in den Tower bringen oder noch schlimmer …“
„Du hast Angst vor ihm?“ Seraphina war entgeistert. „Es ist dir wirklich nicht angenehm, dass er dir den Hof macht?“
„Nein, glaube mir doch.“ Grace machte eine hilflose Geste. „Ich möchte viel lieber nichts mit ihm zu tun haben, und ich habe auch versucht, ihm das gestern nach dem Turnier zu verstehen zu geben …“
„Nach dem Turnier …“, wiederholte Seraphina müde. Er war also direkt aus ihren Armen zu Grace geeilt.
„Ja“, erwiderte Grace und seufzte bei dem Anblick der Freundin. „Am Vorabend seiner Hochzeit …“
„Du lügst!“, rief Seraphina verzweifelt.
„Das tue ich nicht.“ Grace drückte ihre Hand. „Glaube mir, es wäre mir lieber, wenn du mich zu Recht beschuldigen würdest. Ich bin traurig, wirklich traurig.“ Ihre Stimme wurde von aufsteigenden Tränen erstickt. Sie schlug die Hände vors Gesicht und ging davon.
Eine unbewusste Ahnung zwang Seraphina, ihr nachzublicken, und so konnte sie nicht übersehen, wie der Earl Grace aufhielt, als sie den Raum verlassen wollte, und ihr den Arm um die Schultern legte. Seraphina konnte diesen Anblick nicht ertragen. Sie erhob sich so hastig, dass der Stuhl zu Boden fiel, und drängte sich durch die Menge, ohne auf die verwunderten Blicke der Gäste zu achten und auch nicht auf die heftigen Zeichen, die ihr die Mutter vom Ende der langen Tafel gab. Ihre eiligen Schritte wurden erst von einer mit Gobelins behängten Wand aufgehalten. In ihrer Kopflosigkeit hatte sie den falschen Weg eingeschlagen. Sie sank auf einen Stuhl, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Wein, Mylady?“
Sie nahm den dargebotenen Becher von einem Lakaien entgegen und stürzte den Inhalt hinunter. In dem vergeblichen Versuch, ihre Nerven zu beruhigen, hatte sie bereits zu viel getrunken, doch jetzt kümmerte sie das nicht mehr. Sie wollte sich betäuben, wollte nichts mehr sehen, nicht mehr nachdenken müssen. „Mehr“, befahl sie kurz, als der Diener sich wieder entfernen wollte.
Doch als sie den geschliffenen Kelch erneut an die Lippen setzen wollte, legte sich eine feste Hand um ihr Handgelenk und nahm ihr das Glas weg. In aufkeimender Hoffnung hob Seraphina den Kopf, doch ihre Augen bestätigten nur, was ihr Gefühl ihr bereits gesagt hatte. Es war nicht der Earl.
„Kommt und tanzt eine Pavanne mit mir. Das hebt die Laune mehr als Wein, Ihr werdet sehen.“ Robin Dudley lächelte ihr zu und stellte den Becher auf einen der kleinen Tische.
„Wirklich?“ Schwindlig vom schnellen Trinken strauchelte Seraphina beinahe, als Dudley sie emporzog. Ihr Blick ging zu Heywood und Grace. „Er hat mich geküsst“, murmelte sie, „und dann ist er zu ihr gegangen …“
„Psst!“ Dudley hob warnend die Hand. „Bei Hofe ist es das Klügste, so zu tun, als kümmere einen nichts. Man muss wenigstens mit dem Mund lächeln, wenn schon nicht mit den Augen. Sehr gut“, sagte er beifällig, als Seraphina tapfer die Tränen hinunterschluckte. „Und Ihr solltet auch nicht immer alles glauben, was man Euch erzählt. Aber wenn es wirklich so ist, wie Ihr meint, dann vermute ich, dass er sich selbst nur beweisen möchte, wie wenig sie ihm bedeutet.“
„Wenn er sie nicht liebt, warum …“
„Das wisst Ihr nicht?“ Dudley schüttelte verwundert den Kopf. „Nun, dann solltet Ihr Robert selber fragen. Bis dahin, Mylady lacht und tanzt, denn Euer Stolz ist doch zumindest noch unversehrt, wenn es auch Euer Herz nicht mehr ist.“
„Ich danke Euch, Mylord.“ Seraphina versuchte zu lächeln, denn sie wusste, dass Robert Dudley recht hatte, und ließ sich dann von einer lebhaften Gaillarde mitreißen. Als sie beendet war, kamen andere Partner und dann wieder andere, bis sie schließlich den Sinn für Gesichter und das Gefühl für Zeit verloren hatte. Sie wusste nur noch, dass sie, solange sie tanzte, nicht denken und nicht der Wahrheit ins Gesicht sehen musste, der Wahrheit nämlich, dass es der Earl war und nicht
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