HISTORICAL JUBILÄUM Band 03
Gedanken daran, dass sie nach ihrer Rückkehr von der Lesung mit Lacey einen langen Ausritt am Strand entlang machen würde, um Kane Preston aus ihren Gedanken zu vertreiben. Schon bei der Erinnerung an seinen Anblick glaubte Bethany, das Herz müsste ihr brechen vor Liebe und Sehnsucht.
Kane stand ganz allein am Bug seines Schiffes und schaute zum sternenübersäten Himmel hinauf. Die Tage und Nächte in London waren bei endlosen Treffen und Gesprächen mit Vertretern der Bank und Advokaten wie in einem nebulösen Rausch vergangen. Sogar der Bürgermeister von London hatte zu seinen Gesprächspartnern gehört. Er hatte seine Leute mit auf die Reise nach Cornwall geschickt mit dem Befehl, Oswald Preston nach London zu bringen.
Kane wusste, dass die Angelegenheit damit noch längst nicht aus der Welt geschafft war. Doch wenigstens war er dabei, seinen guten Ruf wieder herzustellen und den Mann, der für so unendlich viel Schmerz und Kummer verantwortlich war, seiner gerechten Strafe zuzuführen.
Als vor ihm im Dunkel die Silhouette der Küste von Cornwall auftauchte, fühlte er sich plötzlich heiter und beschwingt. Er war in so großer Eile aufgebrochen, dass er nicht einmal mehr Zeit gehabt hatte, Bethany eine Erklärung für seine Reise zu geben. Die Arme! Sie musste ihn ja für verrückt halten. Doch nun hatte er das Gefühl, dass sein Leben endlich in die richtige Bahn gelenkt wurde. Er würde einen Weg finden, Bethany für sein Verhalten zu entschädigen.
Das Schiff verlangsamte seine Fahrt, als es in den Hafen einlief. Kane und die Männer des Londoner Bürgermeisters kletterten in ein kleines Beiboot und ließen sich zu den Docks rudern. Dort angekommen, wechselten sie nur wenige Worte, bevor sie einander die Hände schüttelten und ihrer Wege gingen.
Die Männer schlugen den Weg zu Miss Edwina Cannons Zuhause ein, wo sie Oswald Preston vermuteten, Kane jenen zu Mary Castle, wo er Bethany um Vergebung bitten und sie reichlich entschädigen wollte für die Qual, die er ihr bereitet hatte.
Bethany zog das schon etwas fadenscheinige Kleid an, das sie immer auf ihren nächtlichen Ausritten trug. Die Psalmlesung war zu ihrer großen Erleichterung recht kurz gewesen. Allerdings war mehreren Damen aufgefallen, dass Diakon Ian Welland beim Vortragen der Solomon-Lieder eine besonders große Leidenschaft an den Tag gelegt hatte. Beinahe so, als ob er zu einer Geliebten gesprochen hätte.
Doch später, während der sich anschließenden Gesprächsrunde, war er zu einigen Fremden gerufen worden, die an der Tür geklopft hatten und ihn sprechen wollten. Hinterher schien er sehr abgelenkt zu sein und hatte sehr schnell den Lesungsabend beendet. Er hatte sich von allen verabschiedet, bis auf Edwina und ihre Mutter. Diese beiden Damen hatte er gebeten, noch zu bleiben und ebenfalls mit den Unbekannten zu sprechen.
Bethany hatte nicht gewartet, bis jenes Gespräch beendet war. Sie war darauf erpicht, schnellstmöglich nach Hause zurückzukehren. Und jetzt lächelte sie glücklich. Frei, endlich. Frei, auf Laceys Rücken über den Strand zu galoppieren und sich in ihren Träumen zu verlieren.
Sie band das Haar im Nacken mit einer dünnen Kordel zusammen und hielt kurz inne. Würde sie es jemals wieder schaffen, in den dunklen Nachthimmel zu schauen und dabei nicht an ihren Lord der Nacht zu denken?
„O Kane!“ Unwillkürlich seufzte Bethany tief auf. Sie kniete sich vor das Fenster und blickte sehnsüchtig hinaus. Wieder spürte sie den inzwischen vertrauten Schmerz in der Herzgegend.
Plötzlich riss sie vor Überraschung die Augen weit auf. Konnte es sein? Sie blinzelte mehrmals heftig und blickte angestrengt in die Finsternis mit ihren seltsamen Schatten.
Ein Reiter bewegte sich langsam den Strand entlang. Hier und da brachte er sein Pferd zum Stehen und schaute zu dem Haus der Familie Lambert herüber, als hoffte er, hinter den dunklen Fenstern ein bekanntes Gesicht zu entdecken.
„Du bist zurückgekehrt!“ Mit einem Freudenschrei sprang Bethany auf, eilte aus ihrer Kammer und die Stufen hinunter. Im Stall machte sie sich nicht einmal mehr die Mühe, ihre Stute zu satteln. Sie schwang sich auf den Rücken des Tieres und hielt sich in dessen Mähne fest. „Na los, Lacey, zeig, was du kannst. Lass uns fliegen!“
Das Pferd spürte die Unruhe seiner Reiterin und preschte beinahe aus dem Stand in weit ausholendem Galopp los. Innerhalb kürzester Zeit rasten Pferd und Reiterin den Strand entlang.
„Kane!“
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