Historical Lords & Ladies Band 38
nochmals mit Sir Jasper sprechen.
Und ein Gespräch mit Lady Wribbonhall konnte auch nicht schaden.
Im Schutz des halb verfallenen Kreuzganges blieb Sarah stehen.
Am ärgsten traf es sie, verraten worden zu sein. Und dass Onkel Jasper über seine Sorge mit Ravensdene gesprochen hatte, war Verrat. Das Schlimmste jedoch war, dass Ravensdene versucht hatte, ihre verborgensten Gefühle zu ergründen. In einem einzigen Augenblick hatte er all ihre Hoffnungen zerstört.
Einfach lächerlich, dachte sie hoffnungslos. Ravensdene war nicht verantwortlich für ihre Gedanken. Nur weil sie seine Freundschaft wollte, musste er nicht genauso empfinden.
Zum zweiten Mal war sie kopflos vor Ravensdene weggelaufen, und zwar nur deshalb, weil er und Onkel Jasper über sie im Zusammenhang mit Heirat gesprochen hatten.
Sarah presste die kalten Hände auf ihr glühendes Gesicht. Ravensdene hatte recht. Sie lebten nicht mehr im Mittelalter. Sollte er oder ein anderer um ihre Hand anhalten, brauchte sie nur abzulehnen.
War sie inzwischen so überreizt, dass sie bei der bloßen Erwähnung des Themas hysterisch wurde?
Ein Zittern durchlief sie bei der Vorstellung, Ravensdene wieder gegenübertreten zu müssen. Zuerst würde sie die anderen suchen. Mut war ja ganz schön, aber manchmal bedurfte es ein wenig Unterstützung.
Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, schaute Sarah sich um. Sie versuchte, sich zu orientieren. Sie war schon einmal hier gewesen, hatte jedoch nur noch vage Erinnerungen an diesen Ort.
Durch die Säulen fiel die Nachmittagssonne auf Bänke, auf denen einst Mönche gesessen hatten. Die nach Westen wandernde Sonne warf lange Schatten auf die alten Steinplatten. Es war spät geworden.
Sarah wandte ihren Kopf in die Richtung, aus der sie gekommen war, und lauschte. Die Stimmen, die die leichte Brise herübertrug, halfen ihr vielleicht, die anderen zu finden. Erst nach geraumer Zeit bemerkte sie den menschlichen Schatten nur wenige Schritte entfernt.
Ein eiskalter Schauer durchrann sie. Sarah war überzeugt, dass die Person, die sich dort hinter der Säule versteckte, ein Mann war. Er trug keine Kopfbedeckung.
Ihr erster Gedanke galt Ravensdene. Doch der Schatten war nicht viel länger als ihr eigener, und Ravensdene würde sich zudem nicht verstecken. Sie glaubte auch nicht, dass Lord Devenham sich zu so einem solchen Unsinn hinreißen ließ. Nein. Die Silhouette gehörte wahrscheinlich James oder Harry. Ihnen wäre es zuzutrauen, dass sie sich hier auf die Lauer legten, um die Mädchen zu erschrecken.
Warum enttarnte sie dann nicht das Möchtegern-Gespenst? Warum kam ihr gerade jetzt der unbekannte Reiter in den Sinn? Und wieso hatte sie das gleiche unbehagliche Gefühl wie vor einigen Tagen im Park?
Sarah wusste nur eines: Sie würde bestimmt nicht dort vorbeigehen!
Lautlos eilte sie den Kreuzgang zurück.
Sie hatte erst wenige Schritte zurückgelegt, als ein ohrenbetäubender Schrei ertönte.
9. KAPITEL
S arah achtete nicht mehr auf den geheimnisvollen Schatten, sondern hastete ins Freie. Vor ihr lag der einstige Kräutergarten des Klosters.
Es war nicht schwer, die Ursache für die Aufregung zu finden. Sophie Sherington saß wie ein Häufchen Elend im Gras und hielt sich den Knöchel.
Alle hatten sich um sie geschart, ausgenommen Julia und Devenham, die aus Richtung der Krypta auf die kleine Gruppe zueilten. Sarah hatte als einzige den Kreuzgang genommen. Sie schaute zurück. Die Säulenreihe hinter ihr blieb leer.
Verstört gesellte sie sich zu der Gruppe. Um Ravensdenes forschenden Blick zu meiden, kniete sie neben Sophie nieder, die zusammenhanglos zu erklären versuchte, was passiert war.
„Ich bin über diesen blöden Stein gestolpert“, jammerte sie, „als Eliza und ich wegrannten.“
„Wovor?“, fragte Harry Marsham mitleidlos grinsend. „Vor einem Geist?“
Sophie schaute zu ihm hoch. „Irgendetwas hat sich dort oben bewegt“, beteuerte sie und zeigte auf die Stelle.
Alle sahen auf das halb verfallene Gemäuer, als plötzlich ein Vogel mit einem Zweig im Schnabel in einen Mauerspalt flog.
„Da hast du deinen Geist, Sophie“, rief Eliza lachend.
„Wo tut es weh, Sophie?“, erkundigte Sarah sich fürsorglich.
„Mein Knöchel“, stammelte Sophie. „Ich bin bei dem Sturz umgeknickt.“
Sarah warf Ravensdene einen flüchtigen Blick zu. Nach Sophies letzten Auftritten hatte sie nicht erwartet, ihn mit besorgter Miene neben der Verletzten hocken zu sehen.
„Ich schlage vor,
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