Historical Lords & Ladies Band 38
für mich.“
John hielt einen Moment lang inne und fügte dann an: „Ich wusste nie, was Freundschaft ist, bis ich als gemeiner Soldat in die Armee ging und Dickie traf. Bis dahin wusste ich nicht, was Pflichten sind. Ich wusste nicht, was Liebe ist, bis ich dich kennenlernte, und wäre ich John Lockhart geblieben, hätte ich Caroline Luxcombe geheiratet. Stell dir vor, was dann aus mir geworden wäre! Und falls ich immer noch ein selbstsüchtiges Scheusal sein sollte, so bin ich es doch weniger, als ich es gewesen wäre, wenn der ‚Stern von Risapore‘ nie verschwunden und ich nicht verstoßen worden wäre. Mein einziger Wunsch ist, und ich weiß, es ist ein törichter, dass es den ‚Stern von Risapore‘ nie gegeben hätte.“
Der Gatte ließ die Hand sinken, und Cassie murmelte zögernd, wenngleich sie wusste, dass es nutzlos war: „Aber deine Ehre, John?“
„Falls du die Briefe nicht gelesen hättest, Cassie, und ich dir gesagt hätte, dass ich nichts Falsches getan und mir nichts vorzuwerfen habe, und dich gebeten hätte, Vertrauen zu mir zu haben, hättest du es gehabt?“
„Ich habe dir stets vertraut, John, vom ersten Augenblick an, als ich dich traf. Und sobald ich dich wirklich kannte, hatte ich nur den einen Wunsch, aller Welt zu beweisen, dass du den ‚Stern von Risapore‘ nicht gestohlen haben konntest. Natürlich hätte ich dir geglaubt, so, wie ich dir jetzt glaube.“
John erhob sich mit den Papieren. Im Kamin brannte ein kleines Feuer, obwohl es ein warmer Abend war. „Und das genügt mir, Cassie. Ich respektiere dich, weil du davon Abstand nimmst, mir auch die letzte Einzelheit über das zu entlocken, was vor zwölf Jahren geschehen ist. Deine Liebe und dein Vertrauen sind alles, was ich brauche. Ich brauche keine öffentliche Anerkennung.“ Er wollte die Papiere in den Kamin werfen. „Du gestattest, Cassie?“
Sie nickte. „Verbrenne sie, damit keiner unserer Nachfahren sie auf eine Weise benutzen kann, die uns nicht recht wäre.“
John nickte und schleuderte die Papiere ins Feuer, wo sie einen Moment lang hell brannten, ehe sie zu Asche zerfielen. Vor seinen Augen und denen der Gattin verbrannte die Vergangenheit. Er legte Cassie den Arm um die Schultern und drückte sie an sich. „Ich habe den Schatz, den ich erwarb, als ich dich bat, mich zu heiraten, wenig gekannt. Du bist ein viel größerer Schatz als der ‚Stern von Risapore‘, ein Schatz, an dem kein Blut und nicht die Schande der Eroberung klebt.“ Zärtlich küsste er die Gattin auf die Wange.
Vielleicht war es gut, dass sie in dem Moment, als sie endlich der traurigen Vergangenheit Lebewohl sagten, durch die Ankunft des Familienanwaltes gestört wurden, der verlangte, dass der Earl of Devereux sich sofort mit der Gegenwart und der Zukunft befasse. Cassie überlegte, was der ernste Mann des Gesetzes wohl von dem gehalten hätte, was soeben geschehen war.
Später, sehr viel später, als die Abenddämmerung eingetreten war und der Gatte noch immer mit Mr Herriot, den er eingeladen hatte, die Nacht in Devereux House zu verbringen, hinter verschlossenen Türen redete, ging Cassie durch die offenen Glastüren des Chinesischen Salons in die Nacht. Sie schlenderte den Kiesweg zu dem Zierteich hinunter, der als See bezeichnet wurde, obwohl er eigentlich nur ein Weiher war. Davor stand ein hölzernes Sommerhaus, auf dessen Veranda Dev und Dickie an warmen Sommerabenden zu rauchen und zu plaudern pflegten. Auch das war nun vorbei. Aber neue Möglichkeiten boten sich ihnen, genauso, wie sie sich für Cassie boten. Nur eines blieb ihr noch zu tun, und da es getan werden musste, sollte es schnell geschehen.
Auf dem Weg zum See war sie an den Fenstern des Raumes vorbeigekommen, wo der Gatte und Mr Herriot die Geschäfte des Tags beendet hatten. John hatte Mr Herriot ein Glas Portwein gereicht, mit dem der ihm zugeprostet hatte. Er und John hatten sich prächtig verstanden, nachdem anfängliches Misstrauen auf beiden Seiten überwunden worden war. Ein weiteres Hindernis war genommen worden.
Vor Cassie lag das Wasser, still und ruhig. Sie starrte über den Teich, setzte sich vor dem Sommerhaus auf eine Holzbank und zog das Réticule auf. Sie nahm etwas heraus und hielt das Etwas auf der offenen Hand. Das Licht des aufgehenden Monds traf es und ließ es aufblitzen. Der „Stern von Risapore“. Verschwunden und wiedergefunden. Er war in dem letzten Päckchen gewesen, das sie aus dem Schreibtisch genommen hatte. Sie hatte
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