Historical Lords & Ladies Band 38
es geöffnet, ohne viel darüber nachzudenken, was sie darin finden würde. Ungläubig hatte sie das Juwel angestarrt, so, wie sie es jetzt anstarrte. In den Briefen und Papieren, die im Schreibtisch gewesen waren, hatte nichts darauf hingedeutet, warum sie den „Stern von Risapore“ dort gefunden hatte.
Und nun hielt sie ihn auf der Hand. Sie hatte vorgehabt, ihn John zu geben. Hätte sie das jedoch nach dem, was er ihr gesagt hatte – er wolle die Vergangenheit ruhen lassen – getan, hätte das bedeutet, dass sie sie doch wieder hätte aufleben lassen. Hätte der „Stern von Risapore“ seine frühere Bedeutung als größtes Erbstück der Lockharts wiedererlangt, hätte das ja bedeutet, dass man sein Verschwinden und Wiederauftauchen erklären musste, und der Skandal wäre unweigerlich neu aufgelebt.
Cassie erschauerte. Das Wiederauftauchen des „Stern von Risapore“ bedeutete, dass sie noch immer nicht ganz sicher sein konnte, was vor zwölf Jahren geschehen war. Sie hatte keinen Zweifel, dass Johns Mutter, die eine leidenschaftliche Spielerin gewesen war, wie Cassie einer Bemerkung Mr Hunts entnommen hatte, aus Verzweiflung über die durch die Spielsucht entstandenen Ehrenschulden den Stein genommen, verpfändet oder verkauft hatte. Die Briefe und die Quittungen zeigten deutlich, dass das stimmte. Und dann, als Johns Mutter befürchten musste, dass der Verlust des Steines entdeckt würde, hatte sie ihren Sohn auf eine Weise in die Sache verstrickt, dass er des Diebstahls verdächtigt und folglich von seinem Vater verbannt wurde. Aber wie war der Stein nach Devereux House zurückgekommen? Hatte John ihn zu spät wieder an sich gebracht, um noch verhindern zu können, dass das Verschwinden des „Stern von Risapore“ bekannt wurde?
John wusste, was wirklich geschehen war. Aber er sagte nichts, würde nie etwas sagen. Er hatte Cassie um Vertrauen gebeten. Daher konnte sie ihn nicht befragen. Denn von allen Leuten in der Welt hatte sie zu ihm das meiste Vertrauen. Und war das nicht richtig und angebracht, da sie seine Gattin war? Und falls er die Erinnerung an seine Mutter schützen wollte, die dabei gestorben war, als sie ihn vor dem Vater verteidigen, die eigene Schuld gestehen wollte, wer war dann Cassie, ihm zu sagen, dass er sich falsch verhielt? Sie musste seine Wünsche respektieren.
Cassie hielt das hübsche Ding auf der Hand und dachte an all das Elend, das es gesehen hatte, sowohl vor als auch nach der blutigen Inbesitznahme in Indien, um danach der Anlass zu sein, der einer einsamen Frau zum Verhängnis wurde. Wie viele andere Todesfälle hatte seine strahlende Schönheit unwissentlich verursacht, außer dem Tod der vorherigen Countess of Devereux? Dem Stein selbst mochten keine bösen Kräfte innewohnen, aber er erzeugte Böses in Menschen, und nicht nur Clarissa Lockhart, sondern auch John, sein Vater und vielleicht sogar sein Bruder Philip waren durch ihn zu Schaden gekommen. Und sie, Cassie, wünschte sich, dass sie ihn nicht gefunden hätte.
John hatte sie gebeten, ihm zu vertrauen. Und er hatte sehr leidenschaftlich gesagt, er wünsche sich, dass es den „Stern von Risapore“ nie gegeben hätte.
Bei diesem Gedanken stand sie auf und schleuderte das Juwel hoch in die Luft, wo es einen Moment lang zu schweben schien, ein kleiner, funkelnder Stern, ehe es in den Teich fiel. Einen Moment lang kräuselten die durch ihn verursachten Wellen die Wasseroberfläche, bis sie wieder so ruhig und still dalag, als habe es den „Stern von Risapore“ nie gegeben. Er war für immer verschwunden.
Sein Verschwinden nahm Cassie eine große Last von der Seele, die sie von dem Moment an, da sie ihn gefunden hatte, schwer bedrückt hatte. Leichten Schrittes und beschwingt eilte sie über den Pfad zum Haus, und dort war John, der auf sie zukam, weil er sie gesucht hatte.
„Meine Liebe“, sagte er, „Mr Herriot hat sich zurückgezogen, und ich habe deine Gesellschaft vermisst.“
Die schlichten Worte genügten, um Cassie Halt in Anerkennung, Verständnis und Entsagung finden zu lassen, aus denen eine Liebe entsprang, die dauerhafter und wahrer war denn die, welche nur in schwülstigen Worten Ausdruck fand. Johns Worte hatten ein Bedürfnis bekundet, das Verlangen nach Gemeinschaft, und das war das andere Gesicht der Liebe. Cassie würde genügend Leidenschaft mit dem Gatten erleben, das wusste sie, doch seine Worte hatten ihr gesagt, dass sie mehr als das haben würde. Er war ihr Freund und ihr
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