Historical Weihnachten Band 6
nicht gewöhnen, in ein paar Tagen wäre sie weg. Bis dahin hatte er einen brüchigen Waffenstillstand mit ihr geschlossen. Er nahm an ihren lächerlichen Traditionen teil, spielte dumme Spielchen mit und unterhielt sich ausführlich mit der Dienerschaft. Er hatte es Noel tatsächlich überlassen, seinen Haushalt zu führen, solange er nicht mit ihr allein sein musste.
Obwohl er nicht der Mann war, der jemals zugeben würde, sich nicht in der Gewalt zu haben, traute er sich selbst nicht mehr über den Weg, wenn es um sein Mündel ging. Er konnte nicht länger abstreiten, dass er sich von Noel äußerst angezogen fühlte, und dabei ging es nicht nur um körperliches Begehren, sondern auch um eine tiefe Sehnsucht, der er sich nicht hingeben wollte.
Aber solange er sie auf Abstand hielt, geriet er nicht in Versuchung und bewahrte zudem ihre Ehre. Er war in der Lage, seinen Körper und sein Gehirn unter Kontrolle zu halten, selbst im Schlaf. Mit entschlossener Willenskraft war es ihm sogar gelungen, seinen Träumen von Noel Einhalt zu gebieten, dafür schlief er unruhig.
Natürlich wurde er weiter von Traumbildern geplagt, doch sie waren jetzt anders. Anstatt mit Noel im Bett zu liegen, saß er auf seinem riesigen Schlachtross und kehrte heim nach langer erzwungener Abwesenheit. Die Welt um ihn herum war düster und verschwommen, und er war ganz allein.
Begierig, endlich seine Burg zu erreichen, trieb Benedick in seinem Traum sein Pferd den Hügel nach Longstone hoch, fand aber eine fremde Burg vor, kalt und verfallen.
Verwirrt ritt er weiter über vertraute Hügel zu einer Burg, die wie seine eigene aussah, aber als er sie betrat, fand er nur ein komplett leeres Gebäude vor. Fluchend stieg er wieder aufs Pferd und gab ihm die Sporen, um diesem Irrsinn zu entkommen, vielleicht sogar dem Traum selbst. Eine weitere Burg ragte über ihm auf mit nebelverhangenen Zinnen, doch Benedick hielt misstrauisch Abstand, bis eine Frau aus den Nebelschwaden auftauchte.
Noel.
Sie war ganz in Blau gehüllt, so leuchtend wie ihre Augen, und so schön, dass es Benedick den Atem verschlug. Dann lief sie auf ihn zu, das goldene Haar wehte hinter ihr her, und ihr ihn willkommen heißendes Lächeln ließ sein Herz hüpfen vor Freude. Sonnenlicht umgab sie, und er stieg ab. Er eilte auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen … und erwachte mit der Decke in der Hand.
Benedick setzte sich auf und rieb sich die Augen, um den Traum aus seinem Sinn zu verbannen. Die Bedeutung dieses kleinen nächtlichen Dramas war ihm schmerzlich klar. Falls Noel eine andere Sorte Weib gewesen wäre, hätte er sie in Verdacht gehabt, sein Essen mit irgendwelchen Essenzen zu versetzen. Aber derlei Bösartiges würde sie nie tun. Außerdem aß und trank er dasselbe wie alle anderen Burgbewohner, doch anscheinend war er der Einzige, der von solchen Träumen geplagt wurde.
Alard, nutzloser Hundesohn, der er war, schnarchte laut auf seiner Pritsche neben der Tür. Benedick lehnte sich in die Kissen zurück und schnitt eine Grimasse. Welche Ironie! Nach vielen Jahren in ungemütlichen und oft unsicheren Unterkünften hatte er endlich ein weiches Bett in einem großzügigen Schlafgemach mit einem Kamin zur Verfügung, in dem das Feuer prasselte – doch nichts davon konnte er genießen.
Wegen dieser verdammten Träume!
Sie plagten ihn jede Nacht. Und sie drehten sich immer um Noel, die zum Ende des Traumes wie ein Geist verschwand. Selbst bei Tage musste er daran denken. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte Benedick sich gefragt, ob irgendetwas dabei war, ihn in den Wahnsinn zu treiben.
Ein plötzlicher Windstoß rüttelte an den Fensterläden und blähte die Vorhänge. Benedick wurde kalt. Es war wirklich ein Glück, dass er nicht an derlei Dinge glaubte, sonst hätte er für seine Schlaflosigkeit noch Noel und ihren Weihnachtswunsch verantwortlich gemacht.
In einem schmaleren Bett in einer viel kleineren Kammer lag auch Noel wach. Sie wurde zwar nicht von Träumen geplagt, lag aber mit weit aufgerissenen Augen da; ihre Gedanken rasten, sodass sie keinen Schlaf finden konnte. Irgendwann versuchte sie es gar nicht mehr, setzte sich auf und schlang die Arme um ihre Knie. Natürlich dachte sie an Benedick, den wunderbaren, unmöglichen Benedick.
Seit sie mit ihm über seine Vergangenheit gesprochen hatte, konnte sie spüren, welch innerer Aufruhr in ihm tobte. Manchmal hatte sie den Eindruck, er wollte endlich alles ruhen lassen und die Früchte seiner
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