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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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möglicherweise während eines depressiven Schubs, darauf ein; doch Anfang Dezember 1932 entzog er Strasser unvermittelt das Verhandlungsmandat. Anders als sein Bruder Otto zog Gregor sich still und leise zurück; am
    8. Dezember schickte er Hitler sein Rücktrittsgesuch, das umgehend angenommen wurde, und meldete sich zu einem dreiwöchigen Urlaub ab. Am folgenden Tag sprach Hitler im Kaiserhof vor NSDAP-Funktionären. Die Rede ist nur in einer mehr als zehn Jahre später verfassten Aufzeichnung des Gauleiters von Schleswig-Holstein überliefert. Danach sagte Hitler: »Wenn Sie mich aber alle verlassen wollen, so hat die Arbeit meines Lebens und der Kampf dafür keinen Sinn mehr, denn dann bricht die

    Toter Held: Hitler vor Horst Wessels Grab, 22. Januar 1933

    Bewegung zusammen. (…) Ich warte, bis man mir das Kanzleramt anbietet. Dieser Tag kommt, er ist wahrscheinlich näher, als wir glauben.« Goebbels stellte seine Verzweiflung in der Propagandaschrift Vo m Kai serhof zur Reichskanzlei sogar noch heraus: »Der Führer und die Partei werden allerseits aufgegeben. ›Hitlers Stern ist untergegangen‹, so lautet das hohe C der jüdischen Jubelhymnen. Man schämt sich fast, irgendwo einen Bekannten zu treffen. Am liebsten möchte man im Boden versinken.« Abermals setzte sich Hitler mit seinem Trotz durch; er verließ Berlin noch am 9. Dezember und überließ Göring und Goebbels die Aufgabe, die Erschütterungen von Strassers Rückzug abzufedern. Eine Woche später kam er zurück, als zwar politisch geschwächter, innerhalb der Partei aber unumstrittener Chef. Noch hatte er nicht aufgegeben. 44 Die liberalen Blätter gaben sich einmütig der Hoffnung hin, nun sei die NSDAP erledigt. Zum Jahreswechsel 1932/33 schrieb zum Beispiel die Fr ankfurter Zeitung: »Der gewaltige nationalsozialistische Angriff auf den demokratischen Staat ist abgeschlagen und durch einen mächtigen Gegenangriff aus der Sphäre Papen/Schleicher beantwortet worden, der zwar manche Anforderungen an unsere Nerven stellte und manchen Schaden mit sich brachte, der aber in die Reihen der NSDAP große Verwirrung getragen hat.« Das Ber liner Tageblatt höhnte: »Überall, in der ganzen Welt, sprachen die Leute von … wie hieß er doch schon mit Vornamen: Adalbert Hitler. Später? Verschollen!« Die Vo ssische Zeitung kommentierte: »Die Hyperpolitisierung des letzten Jahres, das die Nationalsozialisten um jeden Preis zum ›Jahr der Entscheidung‹ machen wollten, war zu jäh, um echt zu sein. Was Feuer schien, war Fieber. Um so größer ist jetzt die Ermattung.« Der Chefredakteur des traditionsreichen Blattes sah ruhigere Zeiten auf Deutschland zukommen: »Die Republik ist trotzdem gerettet worden. Nicht, weil sie verteidigt wurde, sondern weil sich die Angreifer wechselseitig erledigten.« Die NSDAP schien am Ende. Und doch trennten nur noch 29 Tage Deutschland von der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. 45

    1933/34
    3 MACHT

    Der 30. Januar

    »Es ist fast wie im Traum. Die Wilhelmstraße gehört uns. Der Führer arbeitet bereits in der Reichskanzlei.« So beschrieb Joseph Goebbels rückblickend in der seinerzeit weit verbreiteten Propagandaschrift Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei seine Gefühle am Mittag des 30. Januar
    1933. In der ursprünglichen Fassung, seinen täglichen Notizen, las sich das noch emotionaler: »Es ist soweit. Wir sitzen in der Wilhelmstraße. Hitler ist Reichskanzler.Wie im Märchen«. Bis zuletzt hatte die Spitze der NSDAP nicht damit gerechnet, dass die streng geheimen Verhandlungen zwischen dem ehemaligen Reichskanzler Franz von Papen als Vertreter des Reichspräsidenten und Hermann Göring tatsächlich zu einem gemeinsamen Kabinett führen würden. Eher hatte man erwartet, dass Hindenburg seinen Vertrauten Papen zum Chef eines reaktionären Präsidialkabinetts ernennen würde. Der Präsident hatte noch wenige Tage zuvor gegenüber zwei hohen Generälen Hitlers Ernennung zum Kanzler kategorisch ausgeschlossen. Auch deshalb achtete Papen streng auf Vertraulichkeit; so sehr, dass selbst die NSDAP-Führung sich unsicher war über die wirkliche Lage. Für den 30. Januar war eigentlich in München eine Hitler-Kundgebung angesetzt, die erst zwei Tage vorher abgesagt wurde, und noch in den frühen Morgenstunden hatte Goebbels in sein Tagebuch geschrieben: »Heute wird Tau gezogen. Aber viel ist wohl nicht zu erreichen.«
    Der Grund für seine Skepsis waren, neben der bekannten Abneigung Hindenburgs gegenüber

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