Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
einer Höhlung eines knorrigen, grotesk verdrehten Stützpfeilers, bewegte sich etwas. Etwas Riesiges. Roya erblickte es zuerst und richtete sich beunruhigt auf.
»Siehst du das?«, fragte sie und deutete nach Norden.
Victor schaute angestrengt in die angegebene Richtung. Das Licht war schwach, obwohl es erst Nachmittag war. Schließlich sah er es. Zunächst war es nur wie ein großer, dunkler Schatten, dann erkannte er, dass es sich um einen Drachen handeln musste. Einen Drachen von beängstigend gewaltigen Ausmaßen.
Tiraol, rief er erschrocken über das Trivocum. Was ist das da vorn?
Tirao schien, ebenso wie Faiona, den fremden Drachen noch nicht bemerkt zu haben; sie mussten sich zuerst orientieren.
Statt einer Antwort nahmen sie beide plötzlich mit aller Kraft Geschwindigkeit auf, stiegen höher empor und änderten ihren Kurs so, dass sie in die Nähe eines zerspellten Felspfeilers kamen, der abseits ihrer Flugstrecke lag. Victor sackte der Magen in die Knie.
»Das muss ein Malachista sein!«, keuchte Roya entsetzt.
Als Victor dies hörte, durchlebte er einen Augenblick hilfloser Angst. So war es ihm nur in einigen wenigen Momenten seines Lebens widerfahren - damals, als Lorin von Jacklor sein Todesurteil ausgesprochen hatte, oder später, als er in Unifar in jenen schwarzen Schacht gestürzt war, der sich in den Katakomben von Yoor unter ihm auf getan hatte.
Malachista - das war ein Wort aus der Sagenwelt. Wiewohl jeder wusste, dass es diese Drachen wirklich geben musste, hatten nur die wenigsten Menschen jemals einen zu Gesicht bekommen - und von diesen hatten wiederum nur die wenigsten Gelegenheit gehabt, anschließend noch darüber zu berichten. Malachista - das sollten schrecklich große und böse Geschöpfe sein, mit gewaltiger Flügelspannweite und von furchtbarer Bösartigkeit. Jeder von ihnen lebte allein, und wenn sie sich paarten, war es ein Glücksfall, wenn beide Partner das überlebten. Sie griffen jedes lebende Wesen unerbittlich an, selbst wenn es die eigenen Artgenossen waren.
Tirao und Faiona nahmen immer mehr Geschwindigkeit auf, und zum ersten Mal erlebte Victor, wie es war, wenn ein Felsdrache wirklich schnell folg. Er und Roya klammerten sich am Hornkamm von Faiona fest, als sie wie ein Pfeil durch die Lüfte zischte. Victor bemerkte, dass sie sogar ein wenig schneller fliegen konnte als Tirao.
Der Malachista kam indes immer näher. Schließlich konnte Victor genau erkennen, wie das Monstrum aussah. Es war ein rötlich schimmernder Riesendrache, seine schuppige Haut reflektierte jeden Lichtstrahl in seltsam schwarzroter Farbe. Er war geradezu gewaltig. Seine Schwingen mochten die dreifache Spannweite eines Felsdrachen haben, sein Körper war ein schlanker Pfeil und sein Hornkamm war drohend und zackig wie das Blatt einer riesigen, schweren Baumsäge. Er schoss von rechts heran, und für Augenblicke war Victor schockiert von der unglaublichen Schönheit dieses Tieres, wenngleich es eine mörderische Schönheit war -wie die eines bezaubernden Goldfalters, dessen Flügelstaub sich mit dem Schweiß eines Menschen zu einem tödlichen Gift vermischte.
Doch dann ergriff nackte Angst Besitz von ihm und Roya; sie konnten nichts tun, als sich auf Faionas Rücken festzuklammern und zu hoffen, dass sie der Bestie irgendwie zu entkommen vermochten.
Dann war der Malachista heran. Wie ein monströses Geschoss stob er zwischen Faiona und Tirao hindurch, sein gewaltiges Maul schnappte nach Tirao, verfehlte ihn aber, als sich der Felsdrache nach unten durchsacken ließ. Faiona stellte im selben Augenblick die Schwingen ein wenig auf und wurde ruckartig nach oben getragen. Victor war später nie mehr in der Lage, das durchdringende Geräusch zu vergessen, das die aufeinander krachenden Kiefer des Malachista in diesem Augenblick erzeugten. Sein Maul wirkte wie ein riesiges Tor mit einer Reihe von gewaltigen Zähnen. Immerhin wäre alles schnell und schmerzlos zu Ende gewesen, wenn er sie erwischt hätte.
Victor verfolgte mit bis zum Hals schlagenden Herzen, dass Tirao zu Seite wegfiel und den Malachista verfolgte.
Er hatte kurz etwas über das Trivocum mitbekommen - anscheinend hatten sich Tirao und Faiona über ihre Vorgehensweise verständigt.
Atemlos blickte er Tirao nach, während Faiona sich, immer mehr Geschwindigkeit aufnehmend, in flachem Winkel absinken ließ, um Abstand zwischen sich und den Angreifer zu bringen. Tirao, inzwischen mit beängstigender Geschwindigkeit fliegend,
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