Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
dass es ihn bis in den Schlaf hinein verfolgte. Ja, das
war der nächste Schritt: Sie mussten Marina befreien. Nach Okaryn vorzudringen glich allerdings dem eigenen Todesurteil, dort
lebten bestimmt ein Dutzend große Drachen, und die Festung war
von künstlich erschaffenen Wächterkreaturen bevölkert, den
Phryxen. Es sollten ihrer viele sein.
Grummelnd dachte er darüber nach, wie er den Kopf frei von all
den Sorgen bekommen könnte, denn sie belasteten ihn, und er
wollte endlich einmal wieder an etwas Erfreuliches denken können. An dieses wundersame Bauwerk hier oder an... Azrani. Wieder stieß er ein Seufzen aus. Azrani – sein anderes Problem. Er
war so schrecklich verliebt, dass allein bei dem Gedanken an sie
sein Herz schneller schlug. Inzwischen erlaubte sie ihm nicht nur
freundschaftliche Küsse und Umarmungen, sondern suchte regelrecht seine Nähe. War er vielleicht ihr Ersatz für die verschollene
Marina? Das mochte gut sein. Sein Problem waren seine Skrupel;
er durfte sich nicht zwischen die beiden stellen, allein schon, weil
sie zum Bund der Schwestern des Windes zählten und eine über
die Maßen wichtige Aufgabe zu bewältigen hatten. Das konnte
und durfte er nicht gefährden. Doch würde ihm diese Mahnung
seines Verstandes helfen, wenn sie sich das nächste Mal an ihn
schmiegte?
Er richtete sich auf – wo war sie überhaupt? Dies war einer der
kleinsten Räume, die sie im Drachenturm hatten finden können –
trotzdem noch fast eine Halle. Durch die weit oben liegenden,
ovalen Fenster drang das Licht der Sterne herein, aber sie erhellten den Raum nur schwach. Dort drüben, wo Azrani sich zum
Schlafen auf einen anderen der Webteppiche gelegt hatte, konnte
er ihren Umriss nicht erkennen. Laura, Jamal und Burly schliefen
in einem anderen Raum. Mit einer Mischung aus Sorge und Neugier erhob er sich und schlich leise hinüber. Nein, sie war wirklich
nicht da. Ob sie ebenso unruhig war wie er und ziellos durch die
Hallen und Gänge von Xahoor wanderte? Eine leise Sehnsucht
überkam ihn. Er verließ ihr Domizil, warf einen kurzen Blick in
den angrenzenden Raum, wo die anderen schliefen, und schlich
dann durch einen weiten Korridor zum Treppenturm. Hier war
alles so riesig, dass er sich wie eine Maus in einem Haus der Menschen vorkam. Er blickte zu endlos weit entfernten Decken und
Torbögen hinauf; Stufen waren ein echtes Hindernis, und einen
Gang zu durchmessen wuchs sich zu einer kleinen Reise aus.
Dennoch war es schön hier.
Die Drachen verstanden zu leben, der Turm war wunderbar
phantasievoll eingerichtet. Die Art der Architektur gefiel Ullrik, sie
war schlicht und doch voll feiner Einzelheiten. In vielen Hallen gab
es Becken, Wasserspiele und kleine Kunstwerke, und alles war
erfüllt von Pflanzen; manche Räume in den oberen Stockwerken
waren allein ihnen vorbehalten. Natürlich stammte auch die Nahrung der Drachen von hier; als Pflanzenfresser ernährten sie sich
hauptsächlich von den großen, nahrhaften Golaanüssen, die hier
in unterschiedlichen Arten wuchsen, aber es fanden sich auch
Sorten von großen Früchten, die Ullrik nicht kannte. Neben Gärten und Vorratskammern besaß Xahoor auch Bäder von riesigen
Ausmaßen, Balkone und sogar eine Bibliothek, wo filigrane Steintafeln mit Schriften aufbewahrt wurden. Ullrik musste sich gedanklich erst daran gewöhnen, dass Drachen noch viele andere
Dinge taten, als nur zu fliegen.
So leise er konnte, stieg er die hohen Stufen der großen Wendeltreppe hinab. Es war etwas anstrengend, besonders wenn er
an den Rückweg dachte, denn die Treppenstufen waren meist
zwischen zwei und drei Ellen hoch. Nach einer Weile erreichte er
das nächst tiefere Stockwerk und sah sich dort um. Nein, hier war
Azrani auch nicht, hier hatte er sie auch gar nicht erwartet. Während Yacaa und Shaani ganz oben im Turm schliefen, fand er in
diesem Stockwerk nur Tirao und Nerolaan, die in einem von vielen hohen Pflanzen erfüllten Raum friedlich und reglos schlummerten. Leise schlich er weiter und erreichte nach einem weiteren
Abstieg die große Halle. Staunend blieb er stehen. Schon als er
sie zum ersten Mal betreten hatte, waren ihm die Wandreliefs
aufgefallen. Nun erwiesen sich die Dimensionen dieses Drachenturms zum ersten Mal als bequem, denn er konnte die Bildnisse
aus zwanzig oder dreißig Schritt Abstand betrachten. Sie waren
großflächig angelegt und tief in den Stein graviert, sodass er ihre
Formen auch in der schwachen nächtlichen
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