Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
Metallskelett und starrte zu
ihm herüber. Es waren gute hundertfünfzig Schritt bis zu ihr, und
sie hätte ihn wohl normalerweise gar nicht so schnell entdeckt,
aber er hatte mitten auf der Hügelkuppe angehalten und zeichnete sich gegen die Abenddämmerung im Hintergrund sicher gut ab.
Und als wäre das alles nicht genug, vernahm er ein leises Rauschen, ein Geräusch, das er nur allzu gut kannte. Sein Blick
schoss in die Höhe, und da sah er ihn, den Drachen. Aber es war
weder Tirao noch Nerolaan, auch nicht Meados. Die dritte Art, mit
der Ullrik vielleicht gerechnet hätte, wäre ein Kreuzdrache gewesen, einer der Verbündeten des verräterischen Meados’; dieser
Drache aber, der in ein paar hundert Ellen Höhe vorbeiglitt, besaß
weder die schlanke Gestalt noch die vier Flügel eines Kreuzdrachen. Es war ein Vierbeiner, doch er war kleiner als ein Sonnendrache. Ruhig flog er über sie hinweg, etwas abseits, so als
kümmerte ihn dieses seltsame Gebilde am Boden nicht.
Ullrik wurde flau im Magen. Er hatte sich bisher in dieser Welt
behaupten können, doch angesichts all der Rätselhaftigkeiten
erschien es ihm immer mehr wie ein Wunder, dass er noch nicht
in ein offenes Messer gelaufen war. Allein das Mädchen dort drüben hätte ihn mit ihrer Waffe wahrscheinlich töten können.
Er sah wieder zu ihr – nun war sie nicht mehr allein. Ein Mann in
heller Kleidung stand neben ihr und blickte zu Ullrik herüber. Sein
rechter Arm lag auf ihrer Schulter; er war wesentlich größer als
sie und hatte den linken Arm gegen einen metallenen Träger neben sich gestützt. Bewaffnet waren sie beide nicht, und sie sahen
auch nicht so aus, als wollten sie Ullrik etwas tun. Dennoch jagte
ihm das Ganze Angst ein. Der Drache war inzwischen weiter nach
Nordwesten geflogen und arbeitete sich mit kräftigen Schwingenschlägen weit hinauf in den Himmel.
Erstaunt beobachtete Ullrik das Tier; es kam ihm so vor, als
wollte es sich über das Schwarz erheben, das über dem Horizont
lag, und darüber hinwegfliegen. Und Ullrik behielt Recht.
Er wusste nicht, ob dies nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Das Schwarz konnte demnach nicht endlos weit reichen, es sei denn, der Drache vermochte es auf geheimnisvolle
Weise zu durchdringen, um irgendwo dort zu landen. Das warf die
Frage auf, was sich darunter befand. Eine lichtlose, leblose Welt
in ewiger Dunkelheit? Oder gab es vielleicht unter dem Schwarz
eine Ebene, in der wieder Licht herrschte? Waren es die Abgründe
der Hölle oder eine neue Welt? Und was war das für ein Drache
gewesen? Ullrik spürte, wie ihm der Magen in die Kniekehlen
sackte. So gut er sich heute Nachmittag gefühlt hatte, so schlecht
ging es ihm jetzt. Wenn er nicht bald wenigstens eine seiner
drängendsten Fragen beantwortet bekäme, würde er noch durchdrehen vor Sorge um seine Mädchen – und vor Furcht vor den
tausend Dingen hier, die er nicht verstand.
6
Der Haifant
»Ob sie uns verfolgen?«, fragte Mai:Tau’Jui angstvoll. Leandra,
die mit brummendem Schädel neben ihr saß, schüttelte vorsichtig
den Kopf. »Nein. Darius hat den Antrieb der Huntress mit Sicherheit beschädigt. Das hab ich gesehen, als ich noch da draußen im
All geschwebt habe.«
»Und du hast ganz sicher auch die Antennen zerstört?«, fragte
Roscoe vom Pilotensitz aus über die Schulter. Leandra lächelte
schwach. »Mit einem magischen Blitz, wie du es wolltest. Schade,
dass du ihn nicht gesehen hast.«
»Wenn wir erst wieder Gladius erreicht haben, sind wir in Sicherheit«, versprach Mai:Tau’Jui. »Was macht dein Kopf?«
»Geht schon wieder«, seufzte sie. Der Mann, der von der Salve
der Huntress zerrissen worden war, belastete ihr Gemüt. Das hatte sie nicht gewollt. Für einen Moment hatte sie sein entsetztes
Gesicht gesehen, den Schrecken, vermischt mit der Erleichterung,
gerade noch mit dem Leben davongekommen zu sein – und kurz
darauf war er tot gewesen. Sie seufzte bedrückt.
»Der Kerl hätte dich umgebracht, ohne mit der Wimper zu zucken!«, ließ Roscoe in vorwurfsvollem Ton hören. »Dem brauchst
du keine Träne nachzuweinen.«
»Trotzdem«, beharrte sie, verschränkte die Arme vor der Brust
und sah zur Seite.
»Ich verstehe dich«, flüsterte ihr Mai:Tau’Jui mit einem warmen
Lächeln zu. »Aber du kannst nichts dafür. Mach dir keine Vorwürfe.«
Leandra beschloss, das Thema zu wechseln. »Was tun wir,
wenn wir wieder auf Gladius sind?« Mai:Tau’Juis Miene verfinsterte sich. »Ich werde ein paar
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