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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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der
Dunkelheit verschwand. Er konnte nicht einmal annähernd
schätzen, wie viele Leichen da unten lagen. Zumal er den
Eindruck hatte, daß nur ein kleiner Teil hier im seichten Wasser
ruhte. Drunten in der Tiefe, dort wohin die Kamera des AUV
nicht reichte, lagen vermutlich noch viel mehr.
Pitt spürte, wie ihm ein eisiger Schauder über den Nacken
lief, als er dieses Feld voller Toter betrachtete. Etliche Frauen
und Kinder waren darunter, aber auch viele ältere Menschen. In
dem frischen, eiskalten Wasser, das von den Gletschern
herabströmte, waren sie so gut wie nicht verwest. Sie waren
teilweise in den Schlick eingesunken und sahen aus, als
schlummerten sie friedlich. Manche wirkten geradezu gelöst,
andere wiederum lagen mit hervorquellenden Augen da, den
Mund wie zu einem letzten Schrei aufgerissen. Aber nichts
konnte ihre Ruhe noch stören, weder das kalte Wasser noch der
ewige Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit.
Dann sah er einige Gesichter aus nächster Nähe - offenbar
eine ganze Familie, die der Tauchroboter aus etwa einem Meter
Entfernung aufgenommen hatte -, und anhand der Augenfalten
und der Züge erkannte er, daß es sich um Asiaten handelte.
Außerdem sah er, daß ihre Hände auf den Rücken gefesselt
waren, daß man sie mit Klebeband geknebelt und ihnen
Eisengewichte an die Füße gehängt hatte.
Sie waren durch Mörderhand gestorben, doch er sah keinerlei
Schuß- oder Stichwunden. Vermutlich hatte man sie einfach
ertränkt. Und das war trotz aller Mythen, die sich darum
rankten, kein leichter Tod. Nur Feuer ist schrecklicher. Wenn
man in der Tiefe versinkt, platzt zuerst das Trommelfell, dann
schießt einem das Wasser in die Nase und verursacht schier
unerträgliche Schmerzen in den Nebenhöhlen, während die
Lunge brennt, wie von tausend glühenden Kohlen versengt. Und
die Menschen, die hier lagen, waren auch keinen raschen Tod
gestorben. Man mußte sich nur ihr Entsetzen vorstellen, als man
sie gefesselt, mitten auf den See befördert und dann, so nahm er
an, aus der Kabine des merkwürdigen Doppelrumpfbootes in das
schwarze Wasser gestoßen hatte. Sie hatten sich unwissentlich
auf irgend etwas eingelassen und waren grausam und
elendiglich ums Leben gekommen.
Der Orion Lake war mehr als ein idyllischer Bergsee inmitten
einer bezaubernden Landschaft. Er war auch ein Friedhof.
4
    Fast dreitausend Meilen weiter östlich rollte eine schwarze
Limousine leise durch den Frühlingsregen, der auf die
menschenleeren Straßen im Herzen von Washington fiel. Der
Wagen, dessen dunkel getönte Fenster hochgekurbelt waren, so
daß man die Insassen nicht erkennen konnte, sah aus, als wäre er
zu einem nächtlichen Begräbnis unterwegs.
    Die Hauptstadt der mächtigsten Nation der Welt strahlte
etwas vom Glanz der Vergangenheit aus, vor allem bei Nacht,
wenn die Büros dunkel, die Telefone verstummt und die
Fotokopierer abgeschaltet waren, wenn das tägliche Ränke- und
Intrigenspiel in den Korridoren der Macht für ein paar Stunden
ruhte. Wenn die Bürokraten und Politiker zu Hause waren und
schliefen, vielleicht noch im Traum darüber nachgrübelten, wo
sie die nächsten Wahlkampfspenden auftreiben könnten. Von
den Ampeln und einem vereinzelten Fahrzeug einmal
abgesehen, wirkte die Stadt so ausgestorben wie Babylon oder
Persepolis.
    Keiner der beiden Insassen im Fond des Wagens sagte ein
Wort, während der Fahrer, der hinter einer Trennscheibe am
Lenkrad saß, die Limousine gekonnt über den regennassen
Asphalt steuerte, in dem sich die Lichter der Straßenlaternen
spiegelten, Admiral James Sandecker starrte gedankenverloren
aus dem Fenster, als der Chauffeur in die Pennsylvania Avenue
einbog. Er trug ein teures Sportsakko, eine nicht minder
kostspielige Hose und wirkte kein bißchen müde. Als der Anruf
von Morton Laird, dem Stabschef des Präsidenten, eingegangen
war, hatte er gerade zu später Nachtstunde mit einer Gruppe
japanischer Ozeanographen zum Abendessen in seiner Bürosuite
im obersten Stock der NUMA-Zentrale auf der anderen Seite
des Flusses, drüben in Arlington, in Virginia,
zusammengesessen.
    Sandecker, ein schmächtiger Mann, der täglich fünf Meilen
joggte und im Fitneßraum der NUMA trainierte, ging auf die
Fünfundsechzig zu, wirkte aber wesentlich jünger. Er leitete die
NUMA seit ihrer Gründung und hatte sie zu einer Behörde für
Meeresforschung aufgebaut, um die ihn alle Welt beneidete. Er
war beherzt und mutig und ließ sich durch

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