Höllenknecht
verabschiedete sich Heinz von seinem sarazenischen Freund.
«Ja, bis morgen. Und bringe deine Wachstafel und den Griffel mit.» Arvaelo hob die Hand zum Gruß und wollte sich gerade umdrehen. Doch auf dem Ballen hielt er an. «Ach, und grüße deine Frau von mir. Und Gustelies.»
«Das werde ich tun.»
Kaum war Heinz Blettner um die Ecke, da schüttelte er den Kopf über Arvaelo. «Grüße deine Frau von mir», wiederholte er leise. «Was sind denn das für Moden? Na, wahrscheinlich morgenländische. Die Sarazenen machen viele Dinge, die wir nicht verstehen.» Er ging durch die Gasse Hinter dem Lämmchen, bog in die Fahrgasse ein, wich zwei betrunkenen Gesellen aus, gab einem Bettler einen Kupferpfennig und war schon bei sich zu Hause angelangt. Die Fenster waren alle geschlossen, nirgendwo brannte Licht. Das hieß, dass niemand da war. Nur kurz wunderte sich Heinz darüber. Hatte Hella gesagt, dass sie weggehen wollte? Er konnte sich nicht erinnern. Hatte sie überhaupt etwas gesagt? Ihm fiel ein, wie sie heute am späten Nachmittag auseinandergegangen waren. Im Streit. Nur deshalb war er noch in die Ratsschänke zu einem Schlummertrunk gegangen. Er hatte gehofft, dass sie sich wieder beruhigt hatte. Aber sie war ja gar nicht da! Eigentlich noch besser, überlegte der Richter. Sie wird bei ihrer Mutter sein. Kein Wunder. Immerhin treibt ein Kannibale sein Unwesen in der Stadt. Heinz Blettner bekam ein schlechtes Gewissen. Hella hatte Angst gehabt. Natürlich! Jetzt war ihm das klar. Er hatte seine junge Frau ganz und gar allein in diesem Haus gelassen. Und das zu einer Zeit, in der alle naselang Leichenteile in der Stadt gefunden wurden. Ein Trottel war er! Gott sei Dank war seine Hella vernünftig. Zumindestmeistens. Sie wird zu ihrer Mutter gegangen sein, dachte er wieder. Vom Verlies wusste sie ja nichts. Und nun wird sie dort übernachten und ihr bei dem Jungen zur Hand gehen. Beruhigt schloss der Richter die Tür zu seinem Heim auf. Alles hatte seine Ordnung. Alles war so, wie er es sich wünschte. Jetzt müsste es nur noch regnen! Heinz Blettner warf einen Blick zum Himmel, doch der Wein hatte seinen Blick bereits getrübt.
Er betrat das Haus, legte von innen den Riegel vor und stieg die Treppe hinauf. In seinem Arbeitszimmer ließ er sich auf einen Stuhl fallen, wuchtete die Füße auf den Tisch und faltete die Hände vor dem Bauch. Mit dem rechten Schuh stieß er einen der Ordner vom Tisch. Seufzend reckte sich Heinz und hob die Mappe auf, um sie wieder ordentlich hinzustellen. Dabei flatterte ein Spitzentüchlein heraus. Der Richter fing es auf und schnüffelte daran. «Maiglöckchen», flüsterte er und lächelte so selig, wie es nur Liebende können.
Gustelies hatte nicht mehr damit gerechnet, die Nacht im eigenen Bett verbringen zu können. Als der Stadtknecht das Verlies öffnete, erhob sie sich und rieb sich die schmerzenden Knie. «Das wird ja auch langsam Zeit», schimpfte sie. Dann zog sie den Jungen hoch. «Jetzt gehen wir nach Hause, Josef. Und dann koche ich dir erst einmal eine warme Honigmilch.»
Sie strafte den Stadtknecht mit einem verächtlichen Blick und betrachtete das Verlies noch einmal ganz genau. Die Mauern waren zwar nicht feucht, doch es war anzunehmen, dass sie sich beim ersten Frost mit Reif überziehen würden. Auf dem Steinboden lagen ein paar Handvoll Heu, die schon so lange dort sein mochten, dass kein Pferddieser Welt sie noch zwischen die Zähne genommen hätte. An der Wand waren mehrere eiserne Ringe angebracht. Ein zerbeulter Blechnapf lag in einer Ecke, in einer anderen stand ein Eimer für die Notdurft. Gustelies hörte Mäuse rascheln.
«Die armen Viecher», erklärte sie dem Jungen. «Wie sind sie nur auf den Einfall gekommen, sich im Verlies ein Nest zu suchen. Hier müssen sie ja Hunger leiden. Da wären sie wahrlich noch in der Kirche besser aufgehoben.» Dann warf sie den Kopf in den Nacken, fasste nach Josefs Hand und stiefelte hochmütig an dem Stadtknecht vorüber.
Draußen wartete eine Kutsche. Ein anderer Büttel hielt Gustelies die Tür auf, doch die Haushälterin winkte ab. «Erst sperrt Ihr uns ins Verlies und dann sollen wir wie die Grafen in der Kutsche fahren, was? Verhöhnen können wir uns auch allein!»
«Der Herr Richter hat angeordnet, dass Ihr mit der Kutsche fahren sollt. Es ist zu Eurer eigenen Sicherheit. Denkt an den Pöbel!»
«Ach, was! Der Pöbel liegt längst zu Hause in den Betten. Der muss nämlich morgen früh sehr zeitig
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