Höllenknecht
entscheiden, ob sie sich noch einmal verheiraten möchte. Du brauchst mich nicht zu fragen.»
«Du bist das Familienoberhaupt.»
«Aber Pater Nau ist älter.»
Arvaelo schüttelte den Kopf. «Familienoberhaupt kann nur sein, wer selbst eine Familie hat.»
«Ach so», erwiderte Heinz. «Aber hier gelten andere Regeln als im Morgenland. Du musst nicht mich fragen. Du musst Gustelies selbst fragen. Oder hast du schon mit ihr darüber gesprochen?»
Arvaelo wich zurück. «Um Himmels willen, nein. Wie kommst du darauf? Das würde ich niemals tun.»
«Na ja, das musst du aber. Sie entscheidet.»
Hella hatte sich unterdessen die Tränen von den Wangen gewischt und die Ellbogen auf den Tisch gestützt.
«Wo wollt Ihr leben mit ihr, wenn sie ja sagt?», fragte sie.
Arvaelo zuckte mit den Achseln. «Ich muss weiter nach Basel, zu Paracelsus. Und dann zurück in meine Heimat. Gute Ärzte werden dort gebraucht.»
«Und meine Mutter?»
Arvaelo lächelte. «Ich entstamme einer guten Familie. Wir sind reich. Sie wird in Samt und Seide gehen.»
«Aber wohin wird sie gehen? Und mit wem wird sie sprechen können? Sie wird keine Freunde und keine Verwandten dort haben.»
«Sie hat mich. Und meine Liebe. Was braucht sie mehr?»
«Ja?», fragte Hella. «Was braucht sie mehr?»
Bruder Göck blieb stehen und hob beide Hände. «Der Kannengießer ist tot. Ich sage dir, der Teufel hat ihn geholt, weil er den Juwelier auf dem Gewissen hat. Das ist Gottes Gerechtigkeit.»
«Aha!» Auch Pater Nau war mitten auf der Straße stehen geblieben. So vertieft waren die beiden Geistlichen in ihren Disput, dass sie gar nicht merkten, wie sich die Passanten in der engen Gasse um sie herumdrücken mussten. «Woher willst du wissen, dass das der Teufel war? Vielleicht war es ja Gott?»
«Niemals!», rief Bruder Göck mit gesträubten Haaren. «Gott ist barmherzig.»
«Aha», herrschte Pater Nau ihn an. «Wäre es nicht eine barmherzige Geste den Mitmenschen gegenüber, wenn der Mörder des Juweliers plötzlich tot wäre? Steht nicht in der Bibel ‹Auge um Auge, Zahn um Zahn›?»
«Willst du damit sagen, dass Gott und der Teufel Auge um Auge, Zahn um Zahn kämpfen?», fragte Bruder Göck schneidend.
«Gar nichts will ich sagen. Nur dass der Kannengießer vielleicht von einem Dritten gerichtet wurde. War das dann Gott oder der Teufel?»
Bruder Göck blieb still.
«Ich höre!», forderte Pater Nau und legte die linke Hand hinter das Ohr. «Na, wie lautet deine Antwort?»
Bruder Göck riss den Mund auf und holte tief Luft. Doch er wusste nichts zu sagen. Schließlich winkte er ab.
«Du gibst auf?», triumphierte der Pater.
Bruder Göck schwieg.
«Ha!», stieß Pater Nau hervor. «Ich hab’s gewusst. Diese Runde geht an mich. Diesen Disput habe ich gewonnen. Du schuldest mir ein Fass Roten vom Winzer Schön aus Assmannshausen. Sieh zu, dass du das Fass bald hierherbekommst.»
Er stieß eine Faust in die Luft, dann hakte er sich beim betreten dreinblickenden Bruder Göck ein und zog ihn mit sich fort. «Aber zunächst werden wir den Weinkeller des Richters plündern, mein Lieber. Der Blettner, ich sage es dir, der ist beileibe kein Kostverächter.»
Gustelies lag im warmen Wasser und atmete den Duft des Rosenöls genüsslich ein. Sie war endlich allein. Sie seufzte und spielte unruhig mit den Händen. So aufgeregt wie heute war sie schon lange nicht mehr gewesen. In ihrem Bauch kribbelte es, als hätte sie Ameisen verschluckt. Sie konnte ihre Gedanken nur schwer beieinanderhalten. Und es war auch nicht leicht, sich auch nur für einen Augenblick nicht zu bewegen. Arvaelo. Sie dachte an ihn mit einer Mischung aus Vorfreude und Bangigkeit. Woher kam diese Furcht? Sie wusste es nicht zu sagen. Es war so, als fürchte sie, Arvaelo könne etwas in ihr wecken, von dem Gustelies nicht wusste, ob sie es kennenlernen wollte.
Der Sarazene war anders als alle Männer, die sie bisher gekannt hatte. «Heilige Hildegard», flüsterte sie, «ich bin über vierzig Jahre alt. Eine mehr als reife Frau. Andere in meinem Alter haben schon keine Zähne mehr im Mund. Mir fehlen nur drei Backenzähne. Das sieht niemand, außer, wenn ich wirklich herzhaft lache. Aber welche Frau in meinem Alter tut das schon?»
Fünfzehn war sie gewesen, als sie sich das erste Mal verliebt hatte. Ausgerechnet in den drei Jahre älteren Nachbarsjungen.Mit dem hatte sie als kleines Mädchen noch gespielt, bis man ihn nach Hamburg geschickt hatte, wo er bei einem
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