Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
Vom Netzwerk:
Andrejs Worten schwang ehrliches Bedauern mit.
»Töte … mich«, hauchte Malthus. »Aber zuvor beantworte mir … noch eine Frage.«
»Welche?«
»War ich … wirklich … dein erster?«
Andrej nickte.
»Dann wirst du … gleich eine Überraschung erleben«, stöhnte Malthus. »Wir sehen uns, Delãny. Vielleicht schneller, als du … denkst. Und jetzt tu es endlich!«
Die letzten Worte hatte er mit äußerster Kraftanstrengung aus sich herausgeschrien. Andrej starrte ihm noch einmal fest in die Augen, dann sprang er auf, riß das Schwert mit einem Ruck aus Malthus’ Körper und ließ
die Klinge aus der gleichen Bewegung durch die Luft pfeifen und das Herz des Ritters durchstoßen.
Malthus blieb noch für die Dauer eines einzelnen, trotzigen Herzschlages reglos und aufrecht auf den Knien hocken, dann fiel er langsam nach vorne und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf den schmutzigen Holzbrettern auf.
Andrej trat einen Schritt zurück, schüttelte mit einem unbewußten, harten Ruck das Blut von der Klinge des Sarazenenschwertes und steckte die Waffe ein.
Er fühlte sich … leer. Was immer er erwartet hatte, es kam nicht. Er empfand weder Triumph noch Befriedigung, ja, er fühlte nicht einmal Erleichterung darüber, daß es vorbei war. Er war einfach nur erschöpft. Was immer Malthus gemeint hatte, als er von der Überraschung sprach, die Andrej bei seiner ersten Transformation erwartete - es geschah nicht. Er hatte den ersten seiner Art getötet, aber er kam sich in diesen Sekunden nur wie ein Mörder vor, obwohl er zu dieser Tat gezwungen worden war. Er hatte diesen Mann nicht töten wollen.
Dann geschah etwas, was ihn im höchsten Maße entsetzte. Er ging mit langsamen Schritten auf den Toten zu. Im ersten Augenblick fürchtete er, die gebrochenen Augen würden sich wieder schließen, blinzeln, um sich dann mit einem eiskalten Blick auf ihn zu richten. Er glaubte in der Schwerthand des Toten ein leises Zittern zu sehen, eine kaum wahrnehmbare Bewegung, die sich über seinen Körper fortpflanzte, bis er sich schließlich aufrichten und auf ihn zukommen würde …
Aber es war reine Einbildung. Malthus war so tot, wie ein Mensch Mensch? nur sein konnte. Trotzdem – er hatte nur das Wort des toten Ritters, daß ihn ein Stich durchs Herz wirklich zu töten vermochte. Vielleicht brauchte er ja nur etwas länger, diesmal, um wieder zu sich zu kommen und Kraft zu sammeln für den nächsten Schlag gegen einen Gegner, den er immer noch besiegen konnte. Vielleicht hatte er ihm das Märchen mit dem Stich durchs Herz nur aufgetischt, um ihn anschließend um so besser verhöhnen zu können.
Es mochten Gedanken sein, die nahelagen - aber irgend etwas tief in Andrej war sicher, daß sie nicht zutrafen. Und dieses Etwas wußte ganz genau, was er tun mußte.
Delãny ging neben dem Toten in die Hocke. Sein rechtes Knie berührte ganz leicht und fast zärtlich den Arm des Toten. Zu seiner eigenen Verblüffung ruhte er in diesem Moment vollkommen in sich selbst, tiefer noch als nach Durchführung der Übungen, die ihm Michail als Kampfvorbereitung empfohlen hatte,
aber gleichzeitig war er meilenweit von sich selbst entfernt; er empfand nichts weiter als die Gewißheit, daß er nun tun würde, was getan werden mußte.
Sein Gesicht wanderte zum Kopf des Toten hinab, auf seinen Hals zu. Die Sonne, die hier nur mit sanften, gebrochenen Strahlen einfiel, schien sich gleichzeitig zu verdunkeln und ihn immer stärker zu blenden. Es war eine explosionsartige Steigerung seiner Lichtempfindlichkeit, die ihn zwang, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenzukneifen, so daß er sein Opfer kaum noch wahrnehmen konnte. Gleichzeitig glaubte er eine eiskalte, grauenhafte Hand nach seinem Herzen greifen zu fühlen, um es erbarmungslos zusammenzudrücken. Alles lechzte nach der Nahrung, die ihm viel zu lange verweigert worden war. Alles in ihm schrie danach, endlich dem Ruf seiner Bestimmung zu folgen.
Seine Zähne berührten den Hals des Toten und einen entsetzlichen Herzschlag lang begriff er, was er zu tun bereit war. Seine Hände und Knie zitterten, als ihm die ganze fürchterliche Bedeutung dessen aufging, was ihm Malthus hatte beibringen wollen. Aber wie eine Hyäne, die ihr totes Opfer gefunden hatte und sich durch nichts als durch rohe Gewalt von ihrer grausigen Mahlzeit würde abhalten lassen, vollbrachte er die Tat, mit der er sich seine ganz spezielle Nahrung einzuverleiben gedachte.
Seine Zähne gruben sich in die Halsschlagader des

Weitere Kostenlose Bücher