Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1
Schmerzen zu. Stöhnend ließ er die Hand sinken, drehte den Kopf und sah zur Tür, darauf gefaßt, gleich einem der beiden anderen goldenen Ritter gegenüberzustehen. Statt dessen sah er Herzog Ják Demagyar, der zwei Schritte hinter der Tür stehen blieb, ohne die geringste Hast seine Armbrust hob - und mit einem gezielten Schuß auch noch Andrejs rechte Hand an den Balken nagelte.
»Unglaublich«, murmelte er, während er kopfschüttelnd näher kam und dabei einen weiteren Bolzen auf die Armbrust legte. »So ungefähr muß es gewesen sein, wenn die alten Götter miteinander gefochten haben … Und ich habe Euch für einen ungebildeten Barbaren gehalten!«
Andrej kämpfte mit all seiner Willenskraft gegen den Schmerz an, spannte die Muskeln und versuchte, seine Hand loszureißen - aber es ging nicht. Der Bolzen hatte sich so tief ins Holz gebohrt, daß er schon beide Hände gebraucht hätte, um ihn herauszuziehen.
Natürlich bemerkte Demagyar Andrejs Versuch, sich loszureißen. Er schüttelte bedächtig den Kopf, hob die Armbrust und zielte diesmal auf Andrejs Herz. »Versuch es erst gar nicht, Delãny«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie schnell du bist.«
Aber offensichtlich hast du nicht alles gesehen, dachte Andrej, sonst würdest du mich sofort töten. Trotzdem stellte er seine verzweifelten Bemühungen ein. Es hatte keinen Sinn, sich selbst weitere Schmerzen zuzufügen, wenn es dabei doch nichts zu gewinnen gab.
»Was bist du, Delãny?« fragte Demagyar. »Bist du … ein Magier? Oder hatte Domenicus recht, und du bist wirklich mit dem Teufel im Bunde?«
Andrejs Gedanken rasten. Ják Demagyar war offensichtlich Zeuge der Transformation geworden, und mit ziemlicher Gewißheit hatte er auch die letzten Augenblicke des Kampfes verfolgt. Aber er wußte nicht alles. Anscheinend glaubte er noch immer, Andrej durch einen einzigen Schuß seiner Armbrust ausschalten zu können. Und außerdem würde er sich kaum noch Zeit nehmen, mit ihm zu sprechen, wenn er begriffen hatte, was es mit Andrej wirklich auf sich hatte. Jedenfalls nicht, wenn auch nur ein Funken Verstand in seinem Kopf war.
»Wer weiß«, antwortete Andrej mit einiger Verspätung. »Aber wenn das zuträfe, wäre es nicht sehr klug von Euch, mich anzugreifen.«
Der Herzog lachte nur. »Ihr gebt nicht auf, wie? Niemals? Aber macht Euch nichts vor - ich werde Euch töten, wie ich den Jungen getötet habe. Doch beantwortet mir noch eine Frage.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Nun, vielleicht deshalb, weil Ihr immerhin noch so lange am Leben bleibt, wie ich mit Euch rede.« Demagyar wedelte belustigt mit seiner Armbrust, ging dann aber zu Malthus’ Leichnam, bückte sich und ergriff nach einem kurzen Zögern das gewaltige Zweihänderschwert des Riesen. Er war gewiß kein Schwächling, dennoch bereitete es ihm einige Mühe, die Waffe mit beiden Händen zu heben und mit ausgestreckten Armen zu halten.
»Laßt mich nachdenken«, sagte er versonnen. »Es ist geschehen, nachdem Ihr … sein Herz mit dem Schwert durchbohrt habt.« Er sah Andrej fast versonnen an. »Ich frage mich, ob wohl dasselbe mit Euch geschieht…«
Ein eisiger, lähmender Schrecken durchzuckte Andrej. Die Vorstellung war geradezu absurd: Nach allem, was er durchgestanden hatte, sollte er nun auf diese Weise sterben? Instinktiv bäumte er sich auf, aber es war sinnlos; seine Schulter und seine Hand waren fest an die Wand genagelt, und er hockte in einer demütigenden Haltung auf dem Boden, ohne auch nur eine Bewegung machen zu können.
»Ja«, sagte Demagyar. Er hatte Andrejs Reaktion richtig gedeutet. »Es geschieht.«
Er kam näher und hob das Schwert, doch plötzlich stutzte er. Sein Blick verharrte auf Andrejs rechter Hand, und auf seinem Gesicht erschien ein überrascht-nachdenklicher Ausdruck.
Auch Andrej sah an sich herab. Seine Hand hatte aufgehört zu bluten.
»Was … ?« murmelte Demagyar.
Draußen vor der Tür polterte etwas, dann erscholl ein Laut, und es erklang ein erstickter Schrei, aber Andrej war sich nicht sicher, was er da gehört hatte. Sekundenbruchteile darauf glaubte er das Klirren von Metall zu vernehmen.
Auch Demagyar hatte es gehört und fuhr auf der Stelle herum. »Lauft nicht weg, Delãny«, bemerkte er zynisch. »Ich komme gleich zurück.«
Er näherte sich mit schnellen Schritten der Tür, und in dem Moment, als er höchstens noch einen Schritt von ihr entfernt war, flog sie mit solcher Wucht auf, daß sie laut gegen die Wand knallte und sich der Herzog nur
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