Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Nein, das hatte ich nicht vergessen … Deshalb rieb ich mir die Hände und dachte: So, endlich ist meine Zeit für eine Revanche gekommen …
Damals reisten gerade viele Leute nach Kuba, weil das Skelett von Che Guevara in Bolivien entdeckt, nach Kuba überführt und in Santa Clara mit einem Staatsbegräbnis beigesetzt worden war. Das Flugzeug war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Christina saß am Fenster, ich auf dem Mittelsitz und neben mir am Gang ein sehr korpulenter Mann, der mir, auch wenn es mich Platz kostete, noch behilflich sein würde.
Irgendwann auf dem Flug sagte ich zu meiner Freundin: »Christina, wenn wir in Kuba ankommen und du meine Familie kennenlernst, dann erschrick bitte nicht. Es gibt da nämlich in unserem Ort eine besondere Tradition, wenn jemand zu Besuch kommt: Meine Eltern werden zu dir ins Auto steigen und dir eine Kette umhängen, die aus Blumensamen gemacht ist, in denen Luft ist, die manchmal rauskommt. Dann stinken die Samen ein bisschen. Aber das tut nichts. Ach ja, und sie malen dein Gesicht schwarz an. Deshalb wird einer eine Kohlenpfanne bringen, während die anderen Einwohner ums Auto tanzen und singen. Ganz wichtig: Du darfst erst aussteigen, wenn sie fertig sind. Hörst du!«
Christina schaute mich irritiert an und fragte: »Was? Warum?«
»Weil es auf Kuba ganz viele gefährliche Skorpione gibt«, antwortete ich so nebenbei.
»Waaaaaaas????«, schrie sie panisch.
»Mach dir keine Sorgen, das ist nicht schlimm. Du hast ja die Samenkette. Wenn du die auf der Straße zum Platzen bringst, verursacht das ein ganz komisches Geräusch, und die Skorpione hauen ab.«
»Orgito, ich … glaube dir das nicht«, stotterte sie und wurde blass um die Nase. »Ich habe ein Buch über Kuba gelesen, und da stand nichts von Skorpionen!«
»Natürlich steht da nichts davon drin«, sagte ich so unschuldig wie möglich, auch wenn es mich innerlich fast zerriss vor Lachen. »Die wollen ja die Touristen nicht verschrecken.«
»O mein Gott, das muss man den Leuten doch sagen!«
»Christina, jetzt beruhige dich …«
»Ich kann dort nicht hingehen! Skorpione!«, schrie sie den Tränen nahe. »Ich werde sterben.«
Als sie sich nach ein paar Minuten wieder ein bisschen beruhigt hatte, rempelte sie mich mit ihrem Ellbogen an und sagte: »Los, frag deinen Sitznachbarn, ob es in Kuba Skorpione gibt.«
Ich zwinkerte dem dicken Mann neben mir zu und fragte ihn, worum Christina mich gebeten hatte.
Er antwortete ganz lässig: »Ja ja, klar gibt es Skorpione. Überall in Lateinamerika. Das weiß man doch. Warum fragen Sie?«
Christina war mittlerweile am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sie konnte den ganzen Flug über fast nicht schlafen, weil sie nur noch die Skorpione im Kopf hatte.
Als wir landeten, hatte ich die Geschichte schon fast wieder vergessen, weil ich so aufgeregt war wegen des bevorstehenden Wiedersehens mit meiner Familie. Ich war nass geschwitzt, und das lag nicht nur an der Hitze im Flughafengebäude. Alle Reisenden, die Touristen wie die Kubaner, mussten in einer langen Schlange warten, um ihre Papiere zu zeigen. Meine Nervosität stieg, je näher ich der Passkontrolle kam. Denn ich wusste nicht, was gleich geschehen würde. Als ich die kubanischen Sicherheitspolizisten sah, rutschte mein Herz komplett in die Hose. Würden sie mich verhaften, festhalten, durchsuchen? Oder würde ich die Tür passieren dürfen, die aus der Sicherheitszone herausführte?
Christina kam vor mir dran. Sie reichte dem Kontrolleur ihren Pass, und bevor er noch etwas sagten konnte, fragte sie schon: » Scusi , entschuldigen Sie bitte, gibt es auf Kuba Skorpione?«
»Ja«, sagte der Kontrolleur.
»Sind die groß?«
»Normal, warum?«
»Ach, nichts, nur so eine Frage«, flötete sie, während sie nervös den Boden absuchte und von einem Bein auf das andere trat.
Als ich an der Reihe war, fragte mich der Beamte, warum ich hier sei und was ich auf Kuba machen würde. Dabei musterte er mich mit misstrauischem Blick von oben bis unten. Mein Herz schlug immer schneller, und ich dachte: Mein Gott, lassen die mich durch?
Ich schaffte es, und auf einen ganz furchtbaren Moment meines Lebens folgte nahtlos einer der schönsten Momente. Draußen standen bereits Ina und ihre Familie, Manuel und eine meiner Tanten, die in Havanna wohnte. Meine Eltern warteten in Jatibonico auf mich.
Diese erste Begegnung bewegte uns alle sehr – nach all den Jahren konnte ich meine Freunde endlich wieder in die Arme
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