Home Run (German Edition)
Die Türen waren verriegelt, die Vorhänge zugezogen, im ganzen Haus war das Licht an. Der Polizist hatte versprochen, regelmäßig durch unsere Straße zu fahren, doch wir hatten immer noch Angst. Vielleicht hätten wir den Anruf als schlechten Scherz eines wütenden Cubs-Fans, der unsere Nummer aus dem Telefonbuch hatte, abtun sollen, doch es schien ernster zu sein als das. Wir hatten noch nie eine derartige Drohung bekommen, und angesichts der dramatischen Ereignisse des gestrigen Abends konnten wir den Anruf nicht einfach so vergessen und schlafen gehen.
»Woher hast du gewusst, dass er Joe Castle treffen wird?«, fragte meine Mutter in einer Werbepause. Sie saß an einem Ende des Sofas, ich am anderen, und wir waren beide noch vollständig angezogen.
»Weil er Baseball nun mal so spielt«, erwiderte ich.
»Warum sind Beanballs eigentlich erlaubt?«
»Keine Ahnung. Ich habe noch nie einen guten Grund dafür gehört.«
»Was für ein dummer Sport«, meinte sie.
Ich widersprach ihr nicht. Wir hatten auch Angst, dass Warren nach Hause getorkelt kam und Ärger machte. Er war mit einer blutigen Nase vom Feld gezerrt worden und daher nicht so schwer verletzt, dass er nicht auf Sauftour gehen konnte. Aber wenn er um drei Uhr morgens noch nicht da war, kam er nicht mehr. Vermutlich saß er gerade in einer Bar, zeigte seine blauen Flecken herum und prahlte damit, dass er es geschafft hatte, einen Batter zu treffen. Und die Lorbeeren für den Sieg der Mets beanspruchte er sicher auch für sich.
Ich nickte auf dem Sofa ein, doch um sechs Uhr morgens rüttelte meine Mutter mich wach. »Die Nachrichten kommen«, sagte sie. Um sechs Uhr morgens begann den Tag bei Channel 4 aus Manhattan mit den Nachrichten, dem Wetterbericht und Sport, und der Moderator kam sofort zur wichtigsten Meldung. »Ein wilder Abend im Shea Stadium«, sagte er, dann wurde ein kurzer Bericht gesendet. Eine Kamera, die irgendwo in der Nähe des Dugout der Mets gestanden hatte, zeigte, wie der Beanball geworfen wurde und Joe zu Boden ging. Die Szene wurde wiederholt, in Zeitlupe, dann noch einmal, während der Reporter jedes Detail beschrieb. Er sagte, Joe befinde sich in einem kritischem Zustand und sei im Mount Sinai Hospital in Manhattan.
Wenigstens lebte er.
Dann kam die Schlägerei, und genau wie gestern Abend schien sie sich endlos in die Länge zu ziehen. Da ich Augenzeuge gewesen war, hatte ich genug gesehen. Es machte mich ganz krank und nahm mir, wie mir später klar wurde, jegliche Freude am Baseball.
Als die Sonne aufgegangen war, ging ich die Einfahrt hinunter und holte die New York Times. Dann warf ich einen Blick auf die Straße, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Damals war mir noch nicht bewusst, dass ich mich viele Monate lang ängstlich umsehen würde.
Meine Mutter trank Kaffee und blätterte durch den Teil mit den nationalen und internationalen Nachrichten. Ich las jedes Wort, das über das Spiel und die damit zusammenhängenden Themen geschrieben worden war. Auf der Titelseite des Sportteils waren zwei große Fotos abgedruckt. Das eine zeigte Joe am Boden liegend, Sekunden nachdem er getroffen worden war und bevor die Trainer sich um ihn geschart hatten. Das andere war ein tolles Bild von Razor Ruffin, der meinen Vater gerade von hinten zu Boden riss. Ruffin hatte nach dem Spiel jeden Kommentar verweigert, genau wie Warren Tracey, Yogi Berra, Whitey Lockman und alle anderen Spieler und Coaches. Es gab allerdings keinen Zweifel daran, dass es zu weiteren Schlägereien kommen würde. Das nächste Spiel der beiden Mannschaften war für vierzehn Uhr an diesem Tag angesetzt. Die Ärzte im Mount Sinai sagten nicht viel, doch Joe war immer noch bewusstlos und in einem kritischen Zustand.
Als das Telefon klingelte, starrten wir es eine Sekunde lang an. Ich war näher dran, daher griff ich nach dem Hörer und nahm ihn langsam ab. »Hallo.«
»Warren Tracey ist ein toter Mann!«, brüllte eine wütende Stimme.
Meine Mutter sprang auf und steckte das Telefon aus.
Die Zeitungen in Chicago waren schockiert: »Beanball!«, schrie mir die Schlagzeile in der Sun-Times entgegen, direkt über einem Foto des am Boden liegenden Joe Castle mit dem Helm neben sich. Die Tribune hielt sich etwas mehr zurück. Ihre Schlagzeile lautete: »Mets finden Möglichkeit, Castle zu stoppen«.
Am Samstagvormittag traf sich Commissioner Bowie Kuhn mit seinen Funktionären in der Geschäftsstelle der Major League Baseball in New York
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