Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2
französischen Schiffen.
Dann sah auch Talleyrand das Flirren im Wasser. Ein riesiger Fleck, als würde das Wasser unter ihm kochen, eilte vom Meer direkt auf sie zu. Der Fleck explodierte in einer Fontäne aus Luft und die schoss 15 Meter in den Himmel empor.
»Valas!«, hörte Talleyrand die Piraten brüllen. »Valas, ja,Valas!«
Er schaute zu Whistle und der lachte böse. »Du wolltest doch wissen, was ich für Spielzeuge habe.«
Talleyrand nickte. Er rührte sich nicht. Nichts verriet, was er dachte. Er sah nur diesen Schatten, der überall war. Riesig und schwarz hob er sich aus dem Wasser. Ein Berg aus verrunzelter, granitschwarzer Haut. Algenbewachsen und harpunengespickt schoss sein mächtiger Schädel aus dem nächtlichen See und schüttelte Wasserfälle auf sie herab. Der Requin du Roi kippte zur Seite, und während Talleyrand hörte, wie seine sonst so gefürchteten Männer wie hilflose Kinder über das Deck schlitterten, sah er den alten Pottwal. Der hob den Valashelm aus dem Wasser heraus und die Scheren des Hummers bohrten sich dabei in seine leeren Augenhöhlen hinein. Die acht Füße streckten sich jetzt, um sich wie mächtige Zangen an den zerfurchten Walleib zu klammern. Talleyrand hörte das wütende Schreien des Tiers. Er sah, wie es sprang: 50 Meter hob sich das Ungetüm aus dem Wasser heraus, peitschte mit der narbigen
Finne einen Kometenschweif hinter sich her und fiel dann mit einem ohrenbetäubenden Donnern in die Lagune zurück.
»Es lebe der Valas!«, donnerte Blind Black Soul Whistle.
»Es lebe Blind Black Soul Whistle!«, riefen die 200 Piraten.
»Und noch lebt«, lachte Whistle, »der Schwarze Baron.« Er winkte von der Brücke des Hummers zurück. Der saß wie ein Helm auf dem Nacken des Wals. »Wir sehen uns, Franzmann. Ich warte auf dich. Da, hinter Feuerland!« Er zeigte nach Süden und dann schwamm sein Valas auf die Meeröffnung zu. Dort schossen die Kriegsschiffe jetzt Warnschüsse ab.
»Stopp!«, rief der Kapitän des ersten Schiffes. »Stopp! Haltet an! Oder wir eröffnen das Feuer!«
»Dann schießt doch!«, lachte Whistle. »Schießt, was ihr könnt! Und ihr …«, rief er zu den Piraten hinab, »… ihr zeigt diesen Franzmännern, was Valas kann.«
»Los, schließt die Luken!«, lachte Ratten-Eis-Fuß.
»Wir tauchen!«, rief Cutter.
Und während 120 französische Vierundzwanzigpfünder Old Nassau in Pulverdampf hüllten, sprangen Blind Black Soul Whistle und seine Piraten ins Innere des Hummers und tauchten auf Valas in die Tiefe hinab.
DER VERRÄTER HEISST JO
A ls Will wieder denken konnte, als ihm bewusst wurde, dass er noch lebte, spürte er, dass er auf kühlen und weichen Blättern lag. Er roch Blumen, die er nicht kannte, und dann drückte ihn etwas auf seine Nase: etwas Rundes, sandig Grau-Festes. Das kitzelte ihn, doch Will war noch nicht in der Lage, die Augen zu öffnen.
»Hey!«, hörte er Hannah. »Ich sehe, dass du wach bist.«
Verfuchst, Hannah war auch da und sie war gesund. Will lächelte glücklich. Da schlug ihm das runde und feste Etwas mit aller Wucht ins Gesicht.
»Heiliger Flitzfliegenschiss!« Will riss erschrocken die Augen auf. Er sah die großen und bunten Blütenblätter, auf die er gebettet lag und die den Boden bedeckten. Er sah die Wände aus Blumen, die ineinander verwebt und verschlungen den Raum flochten, in dem er sich befand, und durch das Loch in der Deckenmitte, das ihre Blätter freiließen, sah er die Sterne.
Da stieß ein Fuß in sein Blickfeld und dessen großer dreckiger Zeh stupste ihn rund, sandig grau-fest und rüde an der Nase.
»Was soll das!«, schimpfte Will. »Hannah, ich kann das nicht leiden. Ich konnte das schon nicht leiden, als Jo das gemacht hat. Zu Hause in Berlin.«
»Ich weiß«, seufzte Hannah. »Er hat’s mir vor über einer halben Stunde erzählt.«
»Jo!« Will fuhr hoch und ignorierte dabei die Schmerzen, die diese ruckartige Bewegung in seinem Kopf und dem vom Lanzenschlag der Jaguarkriegerin gebrochenen Kiefer auslöste. »Ist Jo auch da? Bei allen Regentropfen dieser Welt. Jo, du lebst? Oh, dafür könnt ich dich küssen.«
»Ihn auch?«, fragte Hannah mit gerunzelter Stirn. »Und ich hab gedacht, dass dieses Vergnügen allein mir zustehen würde.« Sie grinste Jo an, der neben ihr saß und eine saftige Mango in Scheiben schnitt.
»Ich denke«, murmelte Jo, »ich esse lieber die Mango.«
»Das kann ich verstehen.« Hannah schmunzelte, nahm sich selber eine Frucht und flüsterte Jo
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