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Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx

Titel: Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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nicht seiner, und deshalb traf er ihn nicht so sehr wie sie. Ihn peinigte nur, dass sie den Schmerz fühlen musste, doch ihm konnte ihre Pein nichts zuleide tun, und er breitete sich über die schneidenden Kanten. Sie war geistesblind. Er hätte in sie greifen und ihr die Trauer nehmen können, sodass sie die Qual nie wieder spüren musste, und sie hätte sich nicht dagegen wehren können. Damit aber hätte er gegen eines der ältesten Gebote der Leute verstoßen. Sosehr er auch versucht war, er konnte es nicht tun, denn was als Liebestat anfing, mochte im Laufe der Zeit sehr wohl zu etwas anderem werden. Auch die wohlmeinendste Person konnte unsäglichen Schaden anrichten, wenn sie einmal zu entscheiden begann, welche Sorge, welchen Schmerz sie einer anderen nehmen durfte, denn man fand immer einen Grund, noch eine Qual, noch eine Unglücklichkeit fortzunehmen – bis die Person, die man liebte und der man helfen wollte, nur noch eine leere Hülle war wie der Mann, der seiner ›Prinzessin‹ das Leben zu nehmen versucht hatte. Schmerz und Trauer waren schreckliche Lasten, und man musste sie mit dem teilen, den man liebte, und sie mussten geheilt werden, wenn sie sich heilen ließen. Doch wie er selbst zu Parsifal gesagt hatte, auch unter den Leuten entstanden das mächtigste Geistesleuchten und die stärksten Persönlichkeiten oft erst aus Leid und der Notwendigkeit, ihm zu begegnen.
     
    Mit großen Augen blickte Adrienne auf den ‘Kater. Sie spürte seine unterschwellige Berührung – eine Erscheinung, die sich nur durch das Fehlen ihres Schmerzens offenbarte. Der Baumkater hatte ihr den Schmerz nicht genommen, er hatte sich nur … zwischen sie und die Trauer gelegt. Wie Alvin Tudev seinen Körper zwischen sie und die Gefahr warf, hatte der ‘Kater seine Liebe zwischen sie und ihre Pein gesetzt. Der Schmerz jedenfalls war noch da und tat nach wie vor fürchterlich weh, aber Adrienne stand ihm nun nicht mehr allein gegenüber, und dieser Unterschied bedeutete alles.
    »Danke«, flüsterte sie, beugte sich vor und küsste ihn zwischen die Ohren. Mit seinem ganzen Gewicht lehnte er sich an sie und schnurrte noch lauter. Einen weiteren Augenblick gestattete sie sich noch, in seiner Liebe zu schwelgen, dann besann sie sich auf ihre Pflicht. Sie pflegte niemals aufzuschieben, was getan werden musste.
    Die Kronprinzessin atmete einmal tief durch und griff nach dem Comterminal. Sie entdeckte, dass es sich nicht um ein Standardterminal handelte, wie man es gewöhnlich in Krankenhäusern verwandte, und grinste halb bitter, halb belustigt. Die besonderen Hochsicherheits-Kommunikationssysteme folgten ihr überallhin – selbst in ein Krankenhauszimmer. War ein Techniker hereingeschlichen, während sie schlief, um es anzuschließen? Wahrscheinlich nicht. Zu den vielen Details, um die sich ihre Leibwache ständig Gedanken machte, gehörte auch die Frage, in welches Krankenhaus man sie im Notfall bringen könnte. Wenn man sich darüber schon den Kopf zerbrach, würde man auch dafür sorgen, dass das ausgewählte Krankenhaus das erforderliche Gerät erhielt, damit es bereitstand, sollte sie es benötigen.
    Sie schob den Gedanken beiseite und drückte den Annahmeknopf, über dem das Blinklicht eine wartende Nachricht anzeigte. Ein leiser Ton erklang, und sie räusperte sich.
    »Befugnis zur Nachrichtenwiedergabe«, sagte sie langsam und deutlich. »Adrienne Michelle Aoriana Elizabeth, Alfa Sieben, Hotel Drei, Lima.«
    Ein Moment verstrich, in dem der Computer über ihr Stimmbild und den Befugniskode für diese Reise nachdachte, dann erhellte sich der Bildschirm mit dem Gesicht ihres Vaters.
    Er sieht furchtbar aus , war ihr erster Gedanke. Seine Augen waren geschwollen, und die Linien in seinem Gesicht wirkten wie mit Säure eingebrannt und eingefressen. Er sagte mehrere Sekunden lang gar nichts und starrte nur in den Aufzeichner, dann atmete er tief durch und begann plötzlich zu sprechen.
    »Ich weiß, weshalb du nach Twin Forks gegangen bist, Adrienne«, sagte er, und sie saß reglos vor dem Schirm, denn seine Stimme klang ungewohnt. Sie war flach, rau, gebrochen geradezu – völlig anders als seine übliche tonlose und ewig tödlich vernünftige Aussprache, vor der es ihr schon so lange graute. »Ich wusste bereits, wohin du gehen würdest, bevor du von Manticore aufbrachst, und es machte mich wütend – das sollte es wohl auch –, aber ich habe nichts gesagt. Und weil ich schwieg, hätte ich dich beinahe

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