Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
Erinnere dich, es hat einen Anschlag auf Königin Adrienne gegeben, als sie noch Thronfolgerin war, und William I. ist von einem Wahnsinnigen ermordet worden.«
»Aber eben von einem Wahnsinnigen «, wandte Justin ein. »Dein Vater starb bei einem Gravo-Skiunfall. Wir haben beide die Aufzeichnung gesehen. Kontragravs können versagen. Das passiert nicht oft, aber es kommt vor.«
Elizabeth schritt weiter auf und ab. »Vielleicht, aber erstens haben Vaters Leibwächter jedes Gefährt, das er benutzte, vorher sehr genau überprüft, und zweitens glaube ich noch aus einem anderen Grund, dass sein ›Unfall‹ alles gewesen ist, nur eben kein Unfall.«
»Was ist das für ein Grund?«
»Ich habe ihm zum Geburtstag einen brandneuen Gravo-Ski geschenkt. Kurz vor dieser letzten Spritztour bin ich noch einmal in seine Suite gegangen, und er sagte mir ausdrücklich, dass er mein Geschenk mitnehmen würde. Ich habe auch gesehen, dass sein Diener das Gerät zum Verpacken bereitgelegt hatte.«
»Ja?«
»Nun, ich kenne den Unfall nur von dem Holovideo«, fuhr Elizabeth langsam fort, »aber ich bin fast sicher, dass er nicht den Ski benutzt hat, den ich ihm geschenkt habe, als er verunglückte .«
»Er könnte es sich anders überlegt haben«, gab Justin zu bedenken. »Seine Leibwache könnte den Ski abgelehnt haben. Vielleicht hast du ihn im Holo auch nicht deutlich genug gesehen. Sie sind ziemlich schnell geflogen.«
Justin ersparte sich anzumerken, dass ihre Augen recht feucht gewesen waren, während sie sich die letzten Momente im Leben ihres Vaters ansah.
»Das weiß ich selbst«, entgegnete Elizabeth ungerührt, »aber ich habe noch immer Zweifel. Darum habe ich dich gefragt, ob du mir dienen willst. Ich möchte, dass du die letzten Stunden meines Vaters untersuchst. Wenn er einen anderen Ski benutzt hat als mein Geschenk, dann möchte ich den Grund dafür wissen. Wenn nicht, dann finde heraus, ob der fragliche Ski ordnungsgemäß inspiziert wurde. Ich wünsche eine lückenlose Ermittlung.«
In ihren dunklen Augen stand nun nicht mehr die Spur einer Träne, Sie war ganz Königin. Selbst wenn Justin sie nicht geliebt hätte, hätte ihre Ausstrahlung ihm Gehorsam geboten. Er willigte nickend ein, und sie nahm ihn bei den Händen.
»Ich danke dir, Justin. Selber tun kann ich es nicht. Mich beobachten zu viele Augen, und ich habe mich um vieles zu kümmern. Ich kann nicht einmal meiner eigenen Leibwache trauen. Wenn der Ski manipuliert wurde, dann hat einer von ihnen etwas damit zu tun. Dir, dir allein kann ich trauen.«
»Immer.«
Elizabeth lächelte ihn an und blickte auf Ariel, der recht zufrieden schnurrte. »Ich weiß.«
»Soll ich nun gehen?«, fragte er und gab vor, beleidigt zu sein, weil sie sich auf den Rat ihres Baumkaters verließ.
»Bleib noch eine Weile.« Elizabeth seufzte. »Ich rechne damit, dass schon bald jemand kommt, der mit mir die Politik der Nachfolge besprechen möchte.«
Justin zog Elizabeth auf seinen Schoß. Ariel befand die Idee offenbar für sehr gut, legte sich seinerseits auf Elizabeths Schoß und begann laut zu schnurren, während er sie mit den Echthänden massierte.
»Politik?«, fragte Justin. »Welche Politik? Du bist Königin. Michael wird dein Erbe. Richtig?«
»Nur in gewisser Weise.« Elizabeth rieb sich die Augen. »Nach manticoranischem Gesetz brauche ich einen Regenten, bis ich einundzwanzig T-Jahre alt bin. Da ich meinen sechzehnten Geburtstag hinter mir habe, kann man mir nicht mehr jemanden aufzwingen, sondern ich nominiere meinen Regenten selbst; das Parlament nimmt meine Wahl an oder weist sie zurück. Das treiben wir, bis wir beide zufrieden sind. Ich fürchte, das kann ziemlich hässlich werden.«
Sie schwieg nachdenklich, dann blickte sie ihm ins Gesicht und zwinkerte ihn an.
»Dann wäre noch die Frage unserer Hochzeit.«
Justin empfand eine plötzliche, kalte Furcht, dass man ihm Elizabeth nehmen könnte. Kurz nach ihrem siebzehnten Geburtstag hatten sie sich mit Billigung von König Roger und Königin Angelique verlobt. Konnte das Parlament Elizabeth zwingen, die Verlobung zu lösen und einen anderen Gatten zu wählen?
»Frage?«, brachte er hervor.
Diesmal galt Ariels Tadelblieken ihnen beiden – Justin, weil er an Elizabeth zweifelte, und Elizabeth für ihre kokette Neckerei. Der Baumkater erhob sich und tätschelte Justin die Wange, während die andere Echthand auf Elizabeths Schulter ruhte.
»Ich sollte dich nicht aufziehen«, gab sie reumütig zu.
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