Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
hatte keine Zeit, höflich zu fragen, ob es Ihnen recht ist, sonst hätte ich das natürlich vorher abgeklärt.« Er lächelte. Seinen schalkhaften Ton schlug er nur aus Erleichterung darüber an, dass sie den Sturz unbeschadet überstanden hatte, so viel war ihr gleich klar. »Warum ich Sie nun umgerissen habe … Nun, das haben Sie Ihrem kleinen Freund zu verdanken.« Als Adrienne die Brauen hochzog, zuckte Tudev mit der unverletzten Schulter. »Er und seine Kumpels haben soeben einen sehr guten Grund aufgezeigt, weshalb ein Monarch oder seine Erbin auf Schritt und Tritt von Baumkatzen begleitet werden sollten«, sagte er weit ernster.
»Ein Attentäter«, entgegnete sie. Halb geflüstert nur brachte sie das Wort hervor, und ihr Blick verdüsterte sich, als sie begriff, worauf Tudev hinauswollte.
»Ein Attentäter«, bestätigte er ihr nickend. »Die Baumkatzen haben ihn bemerkt, bevor er dicht genug herankommen konnte. Dann haben sie sich alle auf ihn gestürzt. Ihr Freund hat ihn als Erster erwischt, aber die anderen waren nur wenige Sekunden später bei ihm. Sie haben ihn nicht nur unschädlich gemacht, sie konnten ihn sogar festhalten – lebend –, bis wir behäbigen Zweibeiner begriffen hatten, was überhaupt vorging und ihn uns greifen konnten. Und das«, fügte er grimmig hinzu, »war nicht so einfach, wie Sie nun vielleicht glauben, weil der arme Mistk …« Er verstummte und räusperte sich. »Der Attentäter trug genügend Sprengstoff am Leib, um sich ohne Kontragrav in die Umlaufbahn zu schleudern, und das hätte er auch getan.«
»Das ist doch Irrsinn«, hauchte sie.
»Nein, Königliche Hoheit«, erwiderte Tudev noch grimmiger, »es sollte nur wie Irrsinn aussehen.« Adrienne schaute ihn verständnislos an, und er seufzte. »Wir stehen noch am Anfang, aber es ist bereits eindeutig, dass der Attentäter durch Psychojustierung dazu bewegt wurde, den Anschlag auszuführen. Natürlich wird es Wochen dauern, bis alle Auslöser und Zwangshandlungen entdeckt sind, aber es liegt auf der Hand, dass einer seiner Befehle lautete, sich in die Luft zu sprengen – mitsamt Ihnen, wenn möglich –, damit wir nicht mehr feststellen könnten, dass er programmiert gewesen ist.«
»O Gott«, flüsterte Adrienne, und Tudev nickte wieder.
»Ich glaube, der Herrgott – und die ‘Katzen – haben eine ganze Menge dazu beigetragen, dass Sie noch am Leben sind, Königliche Hoheit. Und das ist noch nicht alles. Eventuell haben die ‘Katzen uns noch den Schlüssel zu den Hintermännern der Verschwörung geliefert.«
»Wie meinen Sie das? Was für eine Verschwörung?«
»Um Ihre zweite Frage zuerst zu beantworten, es gibt einen schlüssigen Grund, weshalb es sich bei dem Anschlag um die Tat eines Eingeweihten handeln muss. Die Mörder haben auf Sie gewartet, bevor Ihr Besuch angekündet wurde. Das bedeutet, dass ihnen jemand eine Kopie der Alpha-Liste gegeben hat, denn Twin Forks stand nur auf der Alpha-Liste; auf den Scheinlisten tauchte es nie auf. Wer immer hinter der Tat steckt, hat sich also eine Blaue Datei verschaffen können und war in der Lage, sie zu entschlüsseln. Dazu benötigt man eine Quelle an sehr hoher Stelle, und das deutet auf eine Verschwörung größeren Ausmaßes hin, als jemand mit meinem Beruf sie sich ausmalen kann. In Anbetracht der Erfolge, die Ihr Vater beim Machtzugewinn für die Krone zu verzeichnen hat, kann ich mir gut vorstellen, dass er die … entschlossene Gegnerschaft einiger mächtiger Menschen geweckt haben könnte.«
Er unterbrach sich, und Adrienne nickte schaudernd.
»Was das Aufdecken der Verschwörung betrifft«, fuhr Tudev mit einem wölfischen Lächeln fort, »so glauben wir, den Mann gefasst zu haben, der dem Attentäter das Auslösesignal gegeben hat. Auch das haben wir den ‘Katzen zu verdanken. Er hatte schon zwei Drittel des Weges aus dem Park hinter sich, als ihn zehn bis fünfzehn ‘Katzen einkreisten. Die Leute vom Forstdienst meinen, wahrscheinlich hätten die ‘Katzen seine Gefühlsreaktion auf das Scheitern des Anschlags ausgenutzt, um ihn aufzustöbern. Anscheinend« – das Lächeln des Lieutenant Colonels wurde noch raubtierhafter – »geriet er in Panik und versuchte davonzulaufen. Die ‘Katzen fielen ihn an. Sie haben ihn nicht sehr verletzt – bis auf unzählige Kratzer, davon einige ziemlich tief –, aber sie haben ihm am ganzen Leibe die Kleidung zerrissen, und mit seinen Sachen verlor er auch das Selbstvertrauen. Als die ersten Polizisten auf
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