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Honor Harrington 7. In Feindes Hand

Honor Harrington 7. In Feindes Hand

Titel: Honor Harrington 7. In Feindes Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Fassade aus Hohn und Schadenfreude spürte Honor deutlich ihre Verwirrung und Verärgerung. Mit ihrem Verhalten brachte sie die Wärter aus der Fassung, die nicht ahnen konnten, wo der Quell ihrer Kraft lag, denn sie begriffen nicht, was es Honor ermöglichte, so konstant und gleichgültig zu bleiben trotz allem, was man ihr antat. Allerdings wußten sie genau, daß es sich dabei keineswegs um Teilnahmslosigkeit handelte. Daß diese Strafgefangene sie zu ignorieren trachtete, kam einer Aufsässigkeit gleich; sie äußerte weder Flucht noch Kapitulation. Woher sie ihre Widerstandskraft auch bezog, sie vermochte sich ihren Wärtern auf eine grundlegende Weise zu entziehen, wie es bislang noch niemandem gelungen war, und dafür haßten die SyS-Schergen Honor.
    Sie begriff die Verunsicherung der Wärter durchaus. Deren Erfahrungen zufolge hätte ihr Widerstand mittlerweile durch die Mißhandlung und die fortwährende Verweigerung aller Menschenrechte gebrochen sein müssen wie bei allen anderen Sträflingen zuvor. Oberflächlich betrachtet hätte es in der Tat auch diesmal so kommen müssen.
    In der trostlosen Zelle gab es selbstverständlich keinen Spiegel; Honor wußte trotzdem, wie sie aussah. Die kostbaren Vorschriften der SyS verboten Sträflingen jede kybernetische Prothese oder Verstärkung von Organen und Gliedmaßen, und deshalb hatte ein Mechaniker ihr künstliches Auge abgeschaltet – und die synthetischen Nerven in ihrer linken Gesichtshälfte gleich dazu. Diese Maßnahme war nicht mehr als eine weitere unbegründete Grausamkeit, eine höhnische Aberkennung jeder Menschenwürde und diente keinem sinnvollen Zweck. Wie sollten ihr künstliches Auge oder ihre Gesichtsnerven denn ein ›Sicherheitsrisiko‹ darstellen? Das hatte die Haveniten jedoch nicht davon abgehalten, sie ihr zu nehmen. Weil die havenitische Technik so rückständig war, wußte der Mechaniker nicht einmal, wie man die Implantate abschaltete. Weil er weder den Befehlssatz der Implantate kannte noch die erforderliche Technik besaß, um ihn herzuleiten, griff er auf brutale Gewalt zurück und schloß die Schaltkreise kurz, so daß Honor nun auf dem linken Auge blind und ihre linke Gesichtshälfte reg- und gefühllos, also so gut wie tot war. Den Schaden hielt Honor für irreparabel, so daß ein kompletter Austausch vonnöten war – oder zumindest erforderlich gewesen wäre, wenn man sie nicht zum Tode verurteilt hätte.
    Die kleinlichen Grausamkeiten fanden damit keineswegs ihre Grenze. Unter dem Vorwand der ›Hygiene‹ schor man ihr den Kopf kahl. Somit verlor sie die langen Zöpfe, die mehrere Jahre gebraucht hatten, um zu wachsen. Doch dieser Demütigungsversuch löste bei Honor nur Belustigung aus, denn anscheinend war man sich nicht bewußt, daß sie aus Gründen der Bequemlichkeit das Haar mehr als dreißig Jahre lang freiwillig fast genauso kurz getragen hatte. Was immer man sich davon erhoffte, der Verlust ihrer Zöpfe konnte Honors Widerstand jedenfalls nicht zum Einsturz bringen.
    Doch obwohl sie geistig ungebrochen blieb, zermürbte die Haft sie körperlich, das wußte sie auch ohne Spiegel. Timmons war sich anscheinend ihres beschleunigten Stoffwechsels oder ihres erhöhten Nahrungsbedarfs nicht bewußt. Ob das nun stimmte oder ob er sie dazu bringen wollte, die von ihr über das Normalmaß hinausgehende, zusätzlich benötigte Nahrung zu erbetteln, konnte sie nicht sagen, und sie interessierte sich auch nicht dafür. Schon vor langem hatte sie sich geschworen, eher zu sterben, als ihn um irgend etwas zu bitten.
    Auch die belebte Seite ihres Gesichts war eingefallen, und durch unzureichende Ernährung und mangelnde Bewegung schwand allmählich ihr Muskeltonus. Da Honor von Cordelia Ransoms Absicht wußte, sie vor laufender Kamera in gesundem Zustand aufs Schafott zu bringen, weckte das Wissen, was Ransom tatsächlich erhalten würde, in ihr eine grimmige, widernatürliche Vorfreude. Doch hinter den Wehrmauern ihres Geistes war Honor sich nur zu sehr bewußt, daß sie sich immer mehr verlor. Sie konnte nicht genau sagen, wie lange sie schon in der Zelle war, in der sich weder die Beleuchtung noch die Temperatur je änderte, wo es nichts zu lesen oder zu tun gab, wo die einzige Abwechslung in den Mahlzeiten und der höhnischen Demütigung durch die Wärter bestand. Ohne Zweifel erreichten sie bald Hades, und damit kam der Zeitpunkt ihrer Hinrichtung näher, und auch das schien aus irgendeinem Grunde keine Rolle mehr zu spielen.

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