Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Tischplatte und kicherte plötzlich.
«Wenn man was weiß, was ein anderer nicht weiß, dann gibt das Kraft. Wenn er sich aufg’manndlt hat, dann hab ich an die Marons gedacht. Dann war ich stärker! Innerlich!»
«Auch beim Dobler?»
Anna Neugebauer schloss die Augen und machte eine seltsame Grimasse.
«Der Dobler war ein feiger Denunziant. Nie wieder will ich von dem hören. Verstehen S’? Nie wieder. Gut, dass er hin ist. Hat eh zu viele überlebt.»
«Genau deshalb frage ich Sie, ob Sie sich vorstellen können, dass jemand so einen Hass auf den Dobler hatte, dass er ihn vergiftet hat!»
Anna Neugebauer keuchte.
«Da hat’s so viele gegeben! Die finden Sie nie, niemals. Da können Sie lang suchen, Frau Kommissarin. Ich sag jetzt nix mehr. Ich will heim!» Sie zog sich am Tisch hoch, schwankte und stand dann aufrecht.
«Bring mich heim, Marion! Ich sag nix mehr, nie mehr!»
Marion Stadler sah Laura fragend an, und Laura nickte.
«Nur noch eine Frage, Frau Neugebauer. Glauben Sie, dass Lea Maron zurückgekommen ist?»
«Nie!», schrie die alte Frau und schien plötzlich zu wachsen. «Nie mehr kommt sie zurück! Gehen Sie weg! Sie sind so schlecht wie der Dobler! Weg! Und kommen Sie nie wieder!»
SIE IST ZURÜCKGEKOMMEN, dachte Laura. Lea Maron ist zurückgekommen. Karl-Otto Mayer hat sie gesehen und Anna Neugebauer auch. Genau deshalb regen sich beide so auf. Das könnte auch der Grund für den Herzinfarkt des alten Herrn sein. Möglicherweise jedenfalls. Und ich weiß jetzt überhaupt nicht mehr weiter. Also was mache ich? Keine Ahnung.
Sie stand vor dem großen Mietshaus unter einem Akazienbaum, von dem es goldgelbe Blätter regnete, und sah ratlos auf die Uhr. Beinahe fünf. Ihre Mini-Soko würde ab halb neun vor dem Deutschen Museum grillen. Sie wollte den beiden gegen halb zehn einen Besuch abstatten. Es war also noch Zeit.
Laura rief Andreas Havel an, doch der meldete sich nicht. Sie rief in der Gerichtsmedizin an. Dort gab man ihr die Auskunft, dass Dr. Reiss bei einer Besprechung mit Kriminaloberrat Becker sei und die Obduktion des Obdachlosen aus der Isar erst morgen durchgeführt würde. Sie rief Claudia an und fragte, ob sie bei den Nachforschungen über Lea Maron weitergekommen sei. Sie war nicht weitergekommen.
Laura sperrte den BMW auf, wartete zwei Minuten und ließ sich auf den heißen Sitz fallen. Dann stand sie wieder auf und rief ihren Vater an.
«Kannst du mir deine Einkaufsliste durchgeben, dann komm ich gleich bei dir vorbei, und wir essen gemeinsam zu Abend.»
«Warte!»
Es dauerte ein paar Minuten, ehe Emilio Gottberg ans Telefon zurückkehrte. Die Liste war lang, begann bei Äpfeln, Melonen und Bananen, wanderte von Schafskäse, Mozzarella, Milch und Butter zu Tomaten, Basilikum, Bohnen und Schinken, Hühnerbrust und Brot, Haferflocken, Rotwein und Klopapier.
«Hast du Gäste?», fragte Laura, nachdem sie alles aufgeschrieben hatte.
«Ich habe Essen auf Rädern abbestellt, das sagte ich dir bereits gestern. Ich bin nämlich nicht bereit, an Salmonellen einzugehen.»
«Das verstehe ich vollkommen. Bis gleich!»
«Keine Einwände?»
«Nein.»
«Warum nicht?»
«Weil es sehr heiß ist.»
Der alte Gottberg lachte. Laura stieg in ihren Dienstwagen und machte sich auf die Suche nach dem nächsten Supermarkt.
«Ich hab dir auch Aprikosen mitgebracht. Die isst du doch so gern. Sie sind wunderbar reif und süß.» Laura stand in Emilio Gottbergs kleiner Küche und packte ihre Einkäufe aus. Ihr Vater saß auf einem Stuhl und sah ihr zu. Erschöpft und sehr dünn wirkte er in seinem kurzärmeligen hellblauen Polohemd.
Wie ein gebadeter Kater, dachte Laura zärtlich und musste über diesen Vergleich lächeln. Sie hielt die Melone hoch.
«Essen wir Schinken mit Melone?»
«Meinetwegen. Aber wenig. Ich hab bei dieser Hitze überhaupt keinen Hunger. Meistens auch keinen Durst. Ich trinke nur, weil meine Nachbarin überall Zettel angeklebt hat, auf denen groß TRINKEN!!! steht. Mit dickem rotem Filzstift. Sie hat gesagt, wenn ich nicht trinke, dann werde ich erst total bescheuert, und dann krieg ich einen Schlaganfall. Findest du das nett?»
Laura lachte laut.
«Ich finde das hervorragend. Außerdem stimmt es! Ich würde sie wirklich gern kennenlernen, deine tolle junge Rechtsanwältin, mit der du geheime Verabredungen zu köstlichen Mahlzeiten hast. Und das auch noch in ihrer Wohnung!»
«Manchmal auch in meiner», erwiderte der alte Gottberg verschmitzt. «Und
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