Ich bin eine Nomadin
ein Anfang. Romane, Musicals, Komödien, Kurzgeschichten, Erzählungen, Comics, Karikaturen, Filme, die kritisch mit der islamischen Lehre umgehen, können folgen. Aber kaum etwas davon wird tatsächlich gemacht, aus Angst, Gewalt zu entfesseln. Man denke nur an den Fall des dänischen Zeichners Kurt Westergaard, der die bekannteste jener zwölf Karikaturen gezeichnet hat: Mohammed trägt in seinem Turban eine Bombe. Seit die Zeichnung im Herbst 2005 veröffentlicht wurde, hat Westergaard zwei Mordversuche überlebt. Beim letzten Attentat brach ein mit Axt und Messer bewaffneter Somali in sein Haus ein. Westergaard packte seine fünfjährige Enkelin und verschanzte sich in einem Badezimmer, das zu einem gesicherten Raum ausgebaut worden war. Von dort alarmierte er die Polizei, die rechtzeitig eintraf und den Täter festnahm. Dieser Anschlag wird ebenso wie die fatwa gegen Salman Rushdie, die Ermordung seines japanischen Übersetzers und der versuchte Mord an seinem norwegischen Verleger zweifelnde Muslime und Menschen aus dem Westen, die sich mit den Prinzipien und Ikonen des Islam auseinandersetzen wollen, einschüchtern. Terror wirkt.
In den letzten Jahren haben wir uns daran gewöhnt, dass in westlichen Gesellschaften Menschen ihrer Ideen wegen verfolgt werden. Salman Rushdie lebt seit zwanzig Jahren mit dem Todesurteil einer fatwa. Taslima Nasreen, die so tapfer war zu sagen, dass der Islam keine Demokratie zulässt und die Menschenrechte verletzt, musste untertauchen und hat nicht einmal eine eigene Wohnung. Irshad Manji in Kanada und Wafa Sultan in den Vereinigten Staaten – zwei Frauen, die es gewagt haben, den Islam öffentlich zu kritisieren – brauchen jetzt genau wie ich Schutz, und ein Intellektueller wie Ibn Warraq, Autor von Quest for the Historical Muhammad (Die Suche nach dem historischen Mohammed) und dem beeindruckenden Werk Warum ich kein Muslim bin, muss unter Pseudonymen publizieren.
Es ist durchaus wichtig zu wissen, dass man selbst im Westen womöglich lebenslangen Schutz braucht, wenn man eine bestimmte Religion kritisiert oder auch nur analysiert, dass man vielleicht einen Aufstand oder einen Mord oder eine massive internationale Kampagne auslöst, wenn man seine Meinung über den Islam äußert, und dass man vielleicht selbst geächtet und zum Ziel für Verfolger wird. Diese Aussicht ist nicht gerade angenehm. Die meisten Menschen versuchen bewusst oder unbewusst, sie zu vermeiden. Angst wirkt.
Und so gewöhnen sich die Menschen langsam – und manchmal auch ganz schnell – daran, bestimmte Dinge nicht zu sagen, oder sie vielleicht noch zu sagen, aber ganz sicher nicht aufzuschreiben. Die Spinnenfinger der Selbstzensur schnüren allmählich das Denken des Einzelnen ab, dann ganzer Gruppen, dann die Ideen selbst und das Äußern dieser Ideen. Wenn die freie Meinungsäußerung so zusammenfällt, wenn die Menschen des Westens bestimmte Praktiken, bestimmte Aspekte des Islam nicht kritisieren oder hinterfragen, lassen sie jene Muslime im Stich, die diese Dinge ebenfalls hinterfragen wollen. Sie geben ihre eigenen Wertvorstellungen auf. Dann ist ihre Gesellschaft verloren.
Kapitel fünfzehn
EHRE, TOD UND FEMINISMUS
Am Silvesterabend 2007 erschoss in einer Vorstadt von Dallas in Texas der Ägypter Yaser Abdel Said seine beiden siebzehn und neunzehn Jahre alten Töchter auf dem Rücksitz seines Taxis. Dann parkte er den Wagen in der Auffahrt eines Hotels und flüchtete. Die Leichen ließ er einfach im Auto. Die ältere Tochter Amina hatte ein Stipendium über zwanzigtausend Dollar fürs College erhalten; sie träumte davon, Ärztin zu werden. Ihren Freunden erzählte sie, ihr Vater sei außer sich, weil sie sich geweigert hatte, den Mann zu heiraten, den er für sie ausgesucht hatte. Der Bräutigam lebte noch in Ägypten. Außerdem war ihr Vater wütend, weil er erfahren hatte, dass sich seine Töchter heimlich mit zwei amerikanischen Jungs namens Eddie und Eric trafen, die sie in der Schule kennengelernt hatten.
Yaser Said lebte seit 1983 in Amerika, es war bekannt, dass er fanatisch auf die Tugend seiner Töchter achtete: Er zwang sie, ihren Job in einem Lebensmittelgeschäft aufzugeben, nachdem er monatelang alle ihre Schritte überwacht hatte. Ihre ehemaligen Kollegen erzählten, er habe die Mädchen wie ein Stalker belauert. Beide Mädchen hatte er schon zuvor misshandelt. Familienangehörige sagten aus, er habe gedroht, er werde sie umbringen, wenn sie mit Jungs ausgingen. Ihre
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