Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
kaufte das Ehepaar Pearle und May Wait aus Le Roy im Bundesstaat New York das Patent dafür. Die Waits waren eigentlich Hustensiruphersteller und wollten mit der Vermarktung der Gelatine in den Geschmacksrichtungen Erdbeer, Himbeer oder Orange ihren großen Coup landen. Daraus wurde allerdings nichts, die Hausfrauen wussten mit »Jell-O«, wie dieGelatine damals hieß, nichts anzufangen. Nach nur zwei Jahren verkauften die Waits das lausige Geschäft an ihren Nachbarn Orator Francis Woodward – für 450 U S-Dollar .
Der jedoch erkannte das Potenzial des in Pulverform verkauften Instantglibbers, wusste aber auch um die Vorbehalte der Hausfrauen. Also wendete Woodward einen ziemlich ausgebufften Trick an: Er behauptete keck, Jell-O sei die »berühmteste Nachspeise Amerikas«, und ließ Promotionteams von Haustür zu Haustür wandern, die kostenlose Kochbücher an die Hausfrauen verteilten. Darin enthalten: jede Menge schmackhafte Rezepte für Speisen mit Gelatine. Natürlich hatte das den beabsichtigten Effekt: Die derart inspirierten Frauen fragten das Jell-O auf einmal nach – schließlich wollten sie nicht die Letzten sein, die derart populäre Gerichte auf den Tisch brachten. Innerhalb weniger Jahre wurde daraus ein Millionengeschäft.
Die Kochbücher waren ein klassisches Lockvogelangebot. Ein Gratisgeschenk, das zum Kauf des eigentlichen Produkts animieren sollte. Und dieser Trick funktioniert erstaunlich gut, so gut, dass er schon so manchen Händler reich gemacht hat. Denken Sie nur an den Erfinder King Gillette, der Anfang des 20. Jahrhunderts einen Rasierer mit auswechselbaren Klingen entwickelte. Zunächst wollte keiner die Wegwerfrasierer haben, doch dann fing Gillette an, seine Barttrimmer zu verschenken – an Soldaten der U S-Army oder als Dreingabe beim Kauf von Kaffee, Tee oder Gewürzen. Wieder passierte das Gleiche: Die Leute nahmen die Gratis-Rasierer mit, probierten sie aus, gewöhnten sich daran, bis die Klinge irgendwann abstumpfte. Nun mussten sie eine neue kaufen, immer wieder – und Gillette verdient daran bis heute ein Vermögen.
Zero-Price-Effekt heißt dieser manipulative Mitnahme-Effekt im Fachjargon, und er ist heute als Geschäftsmodell nicht mehr aus unserer Wirtschaft wegzudenken: Einen erstklassigen Tintenstrahldrucker bekommen Sie inzwischen ab 50 Euro, aber die Tinte dafür ist teurer als Chanel Nr. 5. Die neuesten Handys gibt’s schon für einen Euro oder gar gratis – vorausgesetzt,Sie binden sich gleichzeitig für mindestens 24 Monate an den Provider. Auch All-you-can-eat-Mittagsangebote funktionieren nach diesem Muster. Selbst der Online-Händler Amazon hat mit Gratis-Dreingaben schon gute Geschäfte gemacht: Ab einem bestimmten Bestellwert ist der Warenversand dort umsonst. Also ordern die Leute ganz häufig mehr (oder teurere) Produkte, als sie eigentlich wollen – nur um Portokosten zu sparen.
»There is no such thing as a free lunch.« – »Nichts auf der Welt ist umsonst, selbst der Tod kostet das Leben«, lauten zwei bekannte Bonmots. Immer wenn Ihnen etwas kostenlos angeboten wird, sollten Sie hellhörig und sich fragen, was Ihnen im Schlepptau mitverkauft werden soll. Und selbst wenn Ihnen nicht gleich etwas angedreht wird, setzt der Anbieter höchstwahrscheinlich auf einen anderen Effekt: die Reziprozitätsfalle. Die erklären wir gleich im Anschluss.
DER REZIPROZITÄTS-EFFEKT
Warum wir uns einem Schenker verpflichtet fühlen
Vielleicht könnten wir uns leichter gegen diesen Effekt wehren, wenn er nicht mit so vielen positiven Attributen versetzt wäre: Geben ist seliger als Nehmen; Geben macht glücklich; Geben ist selbstlos und edel; kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Abgesehen davon, dass Freundschaften, die gegenseitiger Geschenke bedürfen, generell in einem zweifelhaften Licht erscheinen, bewirken solche Dreingaben noch weitaus mehr: Sie nötigen uns.
Der Psychologe Dennis Regan gilt als ein Pionier auf dem Gebiet der Spendierforschung. 1971 organisierte er ein hintersinniges Experiment dazu. Einige der Teilnehmer bekamen damals vom Versuchsleiter zu Beginn eine Coladose geschenkt, anderegingen leer aus. Dann wurde zum Schein ein wenig geplaudert und am Ende des Gesprächs bot der Versuchsleiter allen Probanden Tombolalose zum Preis von je 25 Cent an. Gewiss, das alles klingt eher nach Tupperparty als nach Wissenschaft. Doch wer zuvor eine Coladose spendiert bekommen hatte, kaufte deutlich mehr
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