Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
stellte seinen Studenten die Grundsatzfrage, warum diese entweder ein Auto oder einen PC kaufen würden. Man sollte annehmen, dass derlei unverbindliches Sinnieren im Hörsaal keinerlei Auswirkungen hat. Hatte es aber: Unter den Befragten stieg hinterher die Nachfrage nach exakt diesen beiden Produkten messbar an.
Gewiss, dieser Effekt wirft selbst Fragen auf. Etwa wie stichhaltig manch wissenschaftliche Studie überhaupt noch ist, falls diese auf Fragen basiert. Umgekehrt lässt sich die Erkenntnis aber auch persönlich nutzen: Etwa, wenn man einen zugkräftigen Einstieg für ein Buchkapitel sucht. Oder – deutlich altruistischer – wenn man anderen Menschen helfen möchte.
Genau das wurde zum Beispiel im Jahr 2008 gemacht. Mit kanadischen Blutspendern. Bei diesem Experiment wählte man 4672 Blutspender zwischen 18 und 70 Jahren aus und unterteilte sie in zwei Gruppen. Rund 2900 von ihnen sollten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie angaben, warum sie Blut spendeten und ob sie dies in sechs Monaten wieder tun würden. Sie ahnen bereits, was ein halbes Jahr später passierte: Wer den Fragebogen ausgefüllt hatte, zeigte nach sechs Monaten eine 8, 6-prozen tig höhere Bereitschaft zum Blutspenden als die Mitglieder der Kontrollgruppe. Nach zwölf Monaten lag die Spendierlaune bei den Fragebogenteilnehmern immer noch um 6,4 Prozent höher.Bei all diesen Versuchen muss man allerdings eines einräumen: Es reicht nicht, ein paar Fragen zu stellen. Die Leute müssen sie auch beantworten können. So gesehen müssen wir unsere Eingangsthese leicht korrigieren: Nicht eine Frage zu stellen, sondern diese beantworten zu lassen, kann Verhalten enorm beeinflussen. Andererseits: Wenn Sie den Text bis hierher durchgelesen haben, reicht vielleicht auch eine simple Frage.
DER DECOY-EFFEKT
Warum man bei schwierigen Entscheidungen eine Alternative braucht
Es ist Zeit, mit einer alten Volksweisheit aufzuräumen. Ein für alle Mal. Noch immer glaubt die Mehrheit, wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Davon abgesehen, dass es diesen nassauernden Dritten gar nicht immer gibt und der zudem besser beraten wäre, sich aus dem Streit rauszuhalten, ist die ganze These ziemlicher Kokolores.
Nehmen wir zum Beispiel die amerikanischen Präsidentschaftswahlen. In der Vergangenheit stellte sich dort regelmäßig der Verbraucheranwalt Ralph Nader zur Wahl. Der, und das wusste er selbst, hatte nicht den Hauch einer Chance, ins Oval Office einzuziehen.
Trotzdem trat er an – ob aus Masochismus oder überzogener Eitelkeit ist letztlich egal. Dabei zog er sich jedes Mal den Unmut der Demokraten und Republikaner zu. Denn beide Parteien befürchteten, dass Nader wichtige Stimmen ihres Kandidaten auf sich vereinigen und ihn im Worst Case am Ende um den Sieg bringen könnte. Doch das Gegenteil war der Fall: Die etablierten Parteien profitierten von Naders Initiative. Und zwar aus einem simplen Grund: Wenn Menschen sich zwischen zwei Alternativen entscheiden müssen, die kaum auseinanderzuhalten sind, dann fällt ihnen diese Entscheidung leichter, sobald eine dritte Option ins Spiel kommt. Das nennt man den Decoy-Effekt – und der wirkt nicht etwa nur bei Wahlen, sondern auch und vor allem bei Kaufentscheidungen.
Entdecker dieses irrwitzigen Phänomens ist der amerikanische Marketing-Professor Joel Huber. Er befragte erstmals 1982 verschiedene Testpersonen, ob sie lieber in einem weit entfernten Fünf-Sterne-Restaurant speisen wollten oder in einem nahe gelegenen Drei-Sterne-Restaurant. Angesichts einer solch vagen Beschreibung der Optionen dürfte jeder mittelprächtig verwirrt sein. Die Wahl fällt jedenfalls nicht leicht. Den Teilnehmern in Hubers Experiment ging es genauso, denn sie sollten ja Äpfel mit Birnen vergleichen – noch dazu welche, von denen sie nie gekostet hatten (um im Bild zu bleiben). Nun bot Huber einigen seiner Probanden eine dritte Alternative an: Sie könnten auch in einem Vier-Sterne-Restaurant speisen, das allerdings noch weiter entfernt sei als das Fünf-Sterne-Lokal. Genau genommen war das eine klassische Nicht-Information. Wissen Sie jetzt mehr über die relevanten Vorzüge von Restaurant eins, zwei oder drei? Eben. Allerdings passierte nun etwas Erstaunliches: Die Teilnehmer entschieden sich mit einem Mal und ganz leicht für das Fünf-Sterne-Restaurant. Der Köder (englisch: decoy) formte für sie eine Art Maßstab, eine Messkrücke, durch die sich die beiden anderen Optionen
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