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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Berichten über meine Geburtshilfe, dass Mrs Lindo mich
beiseitenahm, als sie selbst kurz davorstand, ihr erstes Baby zu bekommen. »Wir
haben gehört«, flüsterte sie, »dass der Arzt hier in der Stadt die Frauen
während der Wehen zur Ader lässt.«
    So half ich denn Mrs
Lindo, einen gesunden Jungen namens David zur Welt zu bringen. Zu meiner
Überraschung ließen die Lindos den Jungen beschneiden, genau wie wir es in Bayo
getan hätten. Ein paar Wochen später holten mich die Lindos in ihr Wohnzimmer,
boten mir einen Cordial an und fragten mich, ob es ein kleines Geschenk gebe,
das sie mir machen könnten.
    »Ein Geschenk?«, fragte
ich.
    »Weil du uns eine so
wundervolle Hilfe bist«, sagte Mrs Lindo.
    Ich überlegte einen
Moment lang und fragte dann, ob ich eine Karte der Welt sehen könne.
    »Warum willst du eine
Weltkarte sehen?«, fragte Mr Lindo.
    »Sie hat Dutzende
Bücher gelesen«, warf seine Frau ein. »Sie tut alles, worum wir sie bitten. Ich
verstehe nicht, was daran schlecht sein sollte.«
    »Was möchtest du
erfahren?«, fragte Mr Lindo.
    »Ich weiß nicht, woher
ich komme«, sagte ich.
    »Du kommst aus Afrika.
Du hast den Ozean überquert, und wir sind hier in Charles Town. Das weißt du
doch längst alles.«
    »Ja, aber ich weiß
nicht, wo Süd-Carolina in Bezug auf meine Heimat liegt.«
    Mr Lindo seufzte. »Ich
wüsste nicht, warum das notwendig wäre.«
    »Solomon«, sagte Mrs
Lindo und legte ihm eine Hand auf das Knie. »Geh mit ihr in die Bibliothek und
zeige ihr die Karten.«
    Er sprang vom Sofa auf
und warf dabei sein Glas um. »Ich musste schon genug katzbuckeln, um überhaupt
in die Gesellschaft aufgenommen zu werden«, rief er.
    »Solomon, bitte«, sagte
Mrs Lindo.
    Ich nahm ein Tuch von
Mrs Lindo, um das vergossene Getränk aufzuwischen, und hielt den Blick gesenkt.
Mr Lindo hatte ein paarmal erwähnt, dass die Juden Sklaven im alten Ägypten
gewesen und seine eigenen Vorfahren aus Spanien vertrieben worden seien. Er
hatte mir erklärt, Juden und Afrikaner würden sich verstehen, weil beide
Außenseiter seien. Aber auch wenn der Mann uns lieber Bedienstete als Sklaven
nannte, gehörte ich doch ihm, genau wie Dolly und jetzt auch Dollys Baby. Er
hatte ein großes Haus in der Stadt und machte überall in der Provinz Geschäfte.
Er trug feine Kleider und kam und ging, wie es ihm gefiel. Wenn er wollte, konnte
er mit dem nächsten Schiff nach England segeln.
    Ich dachte, es müsse Mr
Lindo peinlich sein, so die Fassung zu verlieren, aber er schien sich nicht
beruhigen zu können.
    »Ich bin gut genug, um
ihr Indigo-Inspektor zu sein, aber kann ich bei ihren Wahlen mit abstimmen? Die
Anglikaner wollen mich nicht mal in ihrem Bibliotheksrat haben.«
    Ich hielt den Blick auf
meine Hände gesenkt, konnte aber das Zittern in seiner Stimme hören.
    Mrs Lindo hob den Arm,
griff nach der Hand ihres Mannes und zog ihn neben sich aufs Sofa. »Niemand
muss hier katzbuckeln«, sagte sie ruhig und legte ihm die Hand auf den Arm. »Du
musst ja nicht fragen, ob du die Karte ausleihen kannst. Geh einfach hin und
sieh sie dir an.«
    »Und Meena?«, fragte
Lindo.
    »Nimm sie mit. Sie ist
deine Bedienstete.« Mrs Lindo kicherte. »Nimm einen Fächer mit, Meena. Halte
die Fliegen von ihm weg, während er die Karte studiert.«
    Die
Bibliotheksgesellschaft von Charles Town verwahrte ihre Bücher und Karten in
einem Raum in der Union Street. Der Bibliothekar saß an einem Tisch beim
Eingang. Er sah mich kurz an und wandte sich wie angewidert ab.
    »Ah, ja, Mr Lindo«,
sagte er. »Ich fürchte, Neger haben hier keinen Zutritt.«
    »Mr Jackson, handelt
nicht Ihr Bruder mit Indigo?«
    Der Bibliothekar
schloss behutsam das Buch auf seinem Tisch. »Ich bin sicher, dieses eine Mal
wird niemand einen Einwand haben, Mr Lindo.«
    »Gut. Wir brauchen ein
paar Bücher von Voltaire und Ihre neuesten Weltkarten.«
    Der Bibliothekar führte
uns an einen Tisch hinten im Raum, brachte uns zwei Bücher von Voltaire, ein
paar zusammengerollte Karten und ließ uns allein.
    »Fächle weiter«, sagte
Lindo.
    »Er sieht nicht
herüber.«
    »Fächele trotzdem
weiter«, sagte er. »Es ist heiß hier drin.«
    Während ich ihm Luft
zufächelte, löste Solomon Lindo das Band um eine große Rolle.
    »Ich habe noch nie so
viele Bücher gesehen«, sagte ich, ließ den Blick schweifen und wünschte, dass
Frauen und Neger hier zugelassen wären.
    »Sie haben Tausende
Bücher«, murmelte Lindo, »und die Hälfte davon habe ich

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