Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter
Ford-Neunsitzer und das Boot verloren. Es war eine Hans-im-Glück-Situation: Verlust, aber auch Erleichterung. Ich musste an meinen Großvater aus Innsbruck denken, der nach der Ausbombung seiner Wohnung in der Maria-Theresien-Straße sagte: »Nun ist alles weg, gute Gelegenheit für einen Neuanfang.« Nebenberuflich als Schriftsteller tätig, hatte er zumindest seine Manuskripte mit in den Bunker genommen. Er war einfach ein unerschütterlicher Optimist. Ich bewahre offenbar etwas davon in meinen Genen, denn selbst nach den enttäuschendsten Ereignissen finde ich schnell einen Grund, warum oder wofür das genau so zu geschehen hatte.
Wir hatten in Guilford eine wunderbare Zeit verlebt. Als wir im Mai nach Deutschland zurückkehrten, zog ich mit den Kindern für den »Tagesbetrieb« in mein neues Haus in Forsbach. Dass Karlheinz und ich tagsüber nun nicht mehr unter einem Dach lebten, war unserer Beziehung sehr zuträglich. Wir versuchten es tatsächlich noch einmal miteinander, und für eine Weile lief es ganz gut.
Ich hatte in Forsbach mein Atelier, mit einem Schreiner und der Hilfe meiner Schwester Suse konnte ich dort ungestört arbeiten. Die Kinder durften sich in Haus und Garten austoben und Lärm machen, während sie in Kürten immer leise sein mussten, wenn Stockhausen komponierte, und das gelang nicht immer. Als sie noch klein waren, war ich im Sommer meist morgens, sobald sie wach wurden, mit ihnen hinaus in den Garten zum Sandkasten gegangen, damit Karlheinz nicht geweckt wurde. Meine Mutter half mir damals zeitweilig, und als wir wieder einmal den ganzen Tag im Garten verbracht hatten, um ihn nicht zu stören, erklang plötzlich auf dem Klavier ein Ton – »ping«. Meine Mutter ging hinein und sagte zu Karlheinz: »Also, lieber Schwiegersohn, wegen dieses einen Pings sitzen wir nun stundenlang im Garten. Jetzt ist Schluss. Komm zum Kaffeetrinken, oder wir verschwinden hier!« Da hob er die kleine Person hoch, trug sie lachend in seinen Armen zum Kaffeetisch und sagte: »Ihr habt recht.« Meine Mutter hatte es auf den Punkt gebracht – so ging es einfach nicht.
Ab 1969 arbeitete ich also tagsüber im Forsbacher Atelier. Abends und am Wochenende fuhr ich mit den Kindern wieder nach Kürten, auch Doris kam mit ihren Kindern weiter dorthin. Wir hatten ja inzwischen alle möglichen Varianten des Zusammenlebens durchlaufen, von der engen Dreierehe über die Teilzeit- ménage à trois unter getrennten Dächern bis hin zur klas sischen Kleinfamilie. Nun ging es als Patchworkfamilie mit diversen Domizilen weiter.
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Künstlerpaare
Stockhausen und ich waren immer gut darin gewesen, ein großes Netz von Freunden zu gewinnen, es zu halten und zu erweitern. Zwischen neuen Freundschaften und den alten ergaben sich Verknüpfungen – verbunden durch die Liebe zur Kunst und zur Musik. Und so machten wir auch interessante Entdeckungen, was das Funktionieren von künstlerischen Paarbeziehungen betrifft.
In Paris waren wir zwei Männern begegnet, die zu unseren besten Freunden gehören sollten: dem Musikhistoriker Baron Henry-Louis de La Grange und seinem Partner Maurice Fleu ret, einem renommierten Musikkritiker Frankreichs. Maurice sollte später viele Stockhausen-Konzerte in Paris organisieren. Henry hatte sich besonders der Forschung über Leben und Werk Gustav Mahlers verschrieben und eine gewaltige Mahler-Biografie erarbeitet. Stockhausen war beeindruckt von der detaillierten Arbeit und verfasste ein Vorwort für den ersten Band. Henry stammte aus uraltem Adel, sein Partner Maurice war ein linker Anarchist. Welch ein schönes Paar! Schön meint hier aber nicht nur äußere Schönheit, sondern vor allem Authentizität, mit sich selbst im Einklang sein, sich treu bleiben und damit auch der Schöpfung. Suzuki hätte es »natürlich« genannt. Jeder Teil dieser Schöpfung hat einem Schicksalsplan zu folgen, und so muss es sich auch individuell verwirklichen. »Gott erlebt sich in seiner Schöpfung«, pflegte Stockhausen zu sagen.
Dieses schöne Paar lebte in vornehmster Wohnlage, Avenue du Président Wilson im sechzehnten Arrondissement. Die Aufzüge zu ihren Wohnungen gingen von getrennten Fluren aus, oben jedoch waren diese Wohnungen durch eine geheime Tür in einem edlen Schrank mit durchbrochener Hinterwand verbunden. So blieb der Schein einer bloßen Freundschaft gewahrt – es war ja zu einer Zeit, als Homosexualität noch mit einem großen Tabu belegt war.
Henry hatte auf der Insel Korsika ein
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