Ich mag dich wie du bist
bei mir ist auch alles okay, na ja, ich hatte gehofft, dich zu sehen …«
»Und hier bin ich.«
Meine Bauchlage wird allmählich unbequem. Ich kann nicht weiterreden, wenn ich dabei ständig den Kopf verdrehen muss. Aber ich kann mich auch nicht aufsetzen, dann säße ich ja oben ohne vor ihm da. Doch dann tue ich es auf einmal trotzdem. Ich drehe mich herum und setze mich einfach auf. Seine Reaktion ist ziemlich deutlich. Ich weiß nicht wieso, aber er hatte wohl nicht bemerkt, dass ich kein Oberteil anhatte, denn er reißt den Kopf zurück und sperrt – wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde – die Augen auf. Mit gespielter Lässigkeit nehme ich mir mein Oberteil und ziehe es langsam an.
Ich muss an Chiaras Erzählung von dem Petting mit dem Typen aus Rom denken und an meinen Traum von eben. Ich sitze praktisch nackt vor einem Jungen, den ich kaum kenne. Und er trägt auch nur seine Badeshorts. Trotzdem hat das alles nichts zu bedeuten. Sonst kann es manchmal ewig dauern, bis man sich auch nur das T-Shirt auszieht, und dann kann diese Geste auch noch unabsehbare Folgen haben.
»Wir haben nichts mehr voneinander gehört«, hakt Daniele nach, »also ich meine, seit diesem Abend.«
»Nein, stimmt.«
Ich kann nicht glauben, dass ich weiter diese Rolle spiele. Na ja, es ist jedenfalls sonnenklar, dass er anrufen oder eine SMS hätte schreiben müssen. So funktioniert das nun mal. Schließlich habe ich schon dafür gesorgt, dass wir uns küssen, da hätte er sich doch wenigstens die Mühe machen können, mich anzurufen.
»Ich fand den Abend sehr schön …«
Ich kann es nicht glauben. Er ist wirklich ein Idiot. Oder besser gesagt, mit Martinas Worten: »Was für ein Wichser!«
»Martina hat mir gesagt, dass du es ihr erzählt hast.«
»Ja, habe ich«, sage ich, während mir bewusst wird, dass unser Kuss mittlerweile offenbar Strandgespräch ist.
»Wollen wir schwimmen gehen?«
Ich glaube, Lucas Ratschläge funktionieren. Ich bin freundlich und habe ihm nicht gesagt, dass er sich verpissen soll oder so was in der Art, aber ich habe auch nicht die Absicht, ihm jetzt zu erzählen, dass es mir genauso gut gefallen hat.
Nach dem Schwimmen bleiben wir am Strand liegen und lassen uns von der Sonne trocknen, dann lädt er mich ein, im Chiringuito ein Bier zu trinken. Ich nehme an und versuche, dabei nicht ganz so nüchtern, sondern ein wenig netter zu klingen. Das ist übrigens ganz normal, schließlich hatte ich fünf Tage Zeit, mich hineinzusteigern in meine Verärgerung darüber, dass er mich nicht anruft, und auch wenn ich jetzt bereit bin, einzulenken, geht das doch nur schrittweise. Ein Bier im Chiringuito? Na gut, dann gehen wir eben ein Bier trinken.
Achtundfünfzig
Im Chiringuito sind wir nicht allein. Und das ist auch besser so. Denn so muss ich meine Reaktionen nicht mehr kontrollieren und kann ungehemmt mit Mary und Roby quatschen.
Mary versucht die ganze Zeit, Blickkontakt mit mir aufzunehmen, das Was-zum-Henker-läuft-da-zwischen-euch-beiden springt ihr förmlich aus den Augen, als ob ich für die ganze Runde außer ihr und mir die Zeit anhalten könnte, um ihr zu erklären, wie die Dinge liegen.
Bei ihnen bin ich sofort aufgedreht und gesprächig. Ich mache Witze mit Roby, quatsche mit Mary, nippe an meinem Bier, esse Chips, alles in dem Bemühen, eine drei bis vier Meter dicke Betonmauer zwischen Daniele und mir zu errichten. Oder besser gesagt, das war zwar nicht meine ursprüngliche Absicht, absolut nicht, aber mir wird allmählich klar, dass ich genau das tue.
Als wir das Bier ausgetrunken haben, lasse ich Martina, die inzwischen zu uns gestoßen ist, noch ihre Zigarette aufrauchen, dann sage ich, dass ich gehen muss, weil mich meine Eltern zum Abendessen erwarten.
Ich stehe auf, sage Ciao und gehe.
Ich bekomme noch mit, wie Mary etwas zu Daniele sagt und Martina laut herausplatzt.
Als ich um den kleinen Felsvorsprung herum will, der die Buchten der beiden Campingplätze voneinander trennt, kommt Daniele keuchend hinter mir hergerannt: Eins zu null für mich.
»Erklärst du mir mal, was los ist?«
»Gar nichts ist los«, antworte ich betont freundlich.
»Du willst mich also nicht mehr wiedersehen, oder was?«
Nun ist mir klar, dass es hier und jetzt ums Ganze geht. Ich spüre schon, dass die Betonmauer bröckelt, aber man kann eine so hastig hochgezogene Mauer auf verschiedene Arten zum Einstürzen bringen. Wichtig ist vor allem, auf welche Seite die Brocken fallen. Luca
Weitere Kostenlose Bücher